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Glaubenskrise

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Mc Claudia:
Was glaube ich eigentlich?

In den letzten Jahren bin ich immer mehr zur Ungläubigen geworden. Bei genauer Betrachtung glaube ich eigentlich nur mehr an meine Gottheiten und teilweise noch an Magie, aber beides auch nicht mehr 100%ig, also so ohne „wenn und aber“.

Die neuen Atheisten und ihre radikalen Ansichten finde ich zum Großteil sehr ansprechend. Ich bin auch für eine strikte Trennung von Religion und Staat, ich bin auch dafür, dass Religion eine Privatsache sein sollte, ich bin auch der Meinung, dass man kein besserer Mensch ist, nur weil man einen religiösen Glauben hat, ich bin auch der Meinung, dass ein Oberhaupt einer religiösen Gemeinschaft nicht mehr Recht haben sollte, öffentlich über ethische Fragen zu reden als andere Menschen, ich bin auch der Meinung, dass es zwischen objektivierbarem Wissen und religiös-magisch-spirituellem Glauben bzw. solchen Erfahrungen einen gravierenden Unterschied gibt, ich bin auch der Meinung, dass man also Religion und Wissenschaft im Diskurs trennen sollte. Ich bin auch der Meinung, dass Meinungsfreiheit vor Religionsfreiheit kommt, v.a. wenn es um Karikaturen, Religionskritik und solche Sachen geht. Ich bin auch der Meinung, dass Homöopathie, Kinesiologie und ähnliches zu den Pseudowissenschaften zählt.

Wenn ich Artikeln auf dieseen Websites lese, nicke ich, wenn auch nicht immer, so doch oft zustimmend zu:

http://www.freidenker.at/index.php/news.html

http://www.giordano-bruno-stiftung.de/

http://www.gwup.org/

http://www.esowatch.com/

...

Als ich Richard Dawkins „Gotteswahn“ gelesen habe, habe ich mir nach der Lektüre des atheistischen Wälzers ernsthaft überlegt, wie es wäre, wenn ich Atheistin würde. Vieles in meinem Leben wäre gleich. Ich hätte dieselbe Ethik, ich hätte ähnliche Hobbies, ähnliche Freund/-innen, wäre in meiner Persönlichkeit nicht viel anders.

Wofür brauche ich meine Gottheiten? Warum verehre ich sie? Warum knie ich vor ihnen und singe Hymnen für sie? Warum ist mir das Keltische, das Polytheistische, die Rituale, die Andachten, die Kultplätze, die antiken Religionen, die Opfergaben, warum ist mir das so wichtig, was gibt mir das, wenn doch rein rational gesehen alles auch ohne Gottheiten sehr gut erklärt werden kann?

Würde es nicht reichen, einfach bei einer Fantasy-Community teilzunehmen, wo man auch so ähnliche Sachen macht? Also „Religion“ im Spiel?

Ich habe lange reflektiert und bin zu dem Schluss gekommen, dass ich meinen Götterglauben brauche. Ich verehre die Gottheiten nicht, weil ich Angst vor ihnen habe, ich weiß ja nicht mal, ob sie wirklich existieren, oder ich mir das nur einbilde.

Ich verehre sie auch nicht, weil ich ohne sie nicht leben könnte, natürlich könnte ich.

Ich verehre sie auch nicht, weil ich der Meinung bin, dass die Welt schlechter wäre, wenn ich es nicht täte.

Ich verehre sie auch nicht, weil ich spirituell irgendwas werden will (z.B. erleuchtet oder so).

Die einzige ehrliche Antwort, die ich mir auf diese Frage letztlich geben konnte, war, dass ich die Gottheiten verehre, weil es mir unheimlich Freude bereitet und mich innerlich befriedigt. Ich habe einfach ein Herzensbedürfnis danach. Mein Leben wäre irgendwie leerer ohne meine Gottheiten, ohne meine Verbindung und die Andachten und das alles.

Sie geben mir emotionalen Halt, geleiten mich manchmal, wenn ich nimmer weiter weiß. Und es macht mir Freude, Andachten zu machen und Rituale, mir schöne Gebete und solche Sachen für sie auszudenken. Es macht mir Spaß, die kelt. Gottheiten zu erforschen - mit dem Hirn und mit dem Herzen.

Aber abgesehen davon, abgesehen von meinem polytheistischen Herzensglauben bin ich irgendwie sehr skeptisch und „atheistisch“ geworden. Es fällt mir äußerst leicht, mich in die Gedanken der Atheist/-innen hineinzudenken, sie zu verstehen. Wenn das nicht so ein doofer Widerspruch wäre, würde ich sagen, ich bin eine atheistische Polytheistin.

Wie auch immer, vieles, was in der Neuheidenszene üblich ist zu „wissen“ oder zu „glauben“, glaube ich definitiv nicht, wehre mich auch dagegen. Karma z.B., oder dass Magie immer wirkt, oder diverse alternative Heilmethoden, oder dass es spirituelle Meister/-innen gibt, die so toll sind, weil sie spirituell „weiter“ sind oder so. Vieles ist mir einfach fremd oder zuwider (geworden).

Ich glaube, ich müsste meinen persönlichen Glauben um dem Begriff „reformiert“ oder „aufgeklärt“ oder „freidenkerisch“ erweitern. Korrekt würde ich also sagen, ich bin freidenkerische keltisch-polytheistische Neuheidin.

Tatsächlich hat sich mein Ich in den letzten 12 Jahren immer mehr vom Esoterisch-magisch-Gläubigen hin zum Wissenschaftlich-rationalem Denken entwickelt. Meine Gottheiten brauche ich trotzdem, will ich auch nicht missen. Aber ich muss mich wohl irgendwie neu verorten, denn mit dem Gros der Neuheiden und Naturspirituellen verbindet mich bei allgemeinen Ansichten über vieles im esoterisch-alternativ-naturspirituellen Bereich weniger als früher.

Komisch das.

Soweit meine Gedanken.

Keine Ahnung, ob sich daraus nun eine Diskussion entwickelt oder nicht, oder ob auch andere Zweifler/-innen hier sind, die sich mitteilen möchten. Mir wars einfach nur mal ein Bedürfnis, das los zu werden.

Liebe Grüße

Mc Claudia

barbara:
Zweifel und Widersprüche sind immer gut, denn sie bringen einen weiter und geben den Anstoss, umfassendere Perspektiven zu suchen.

Ich sehe die Tendenz durchaus dahin, dass jeder Mensch seinen eigenen religiösen/spirituellen/weltanschaulichen Weg sucht, und die leichte Verbreitung von Information durchs Internet macht es möglich, die Sichtweisen von vielen verschiedenen Traditionen weltweit kennen zu lernen, darunter auch oft sehr speziellen Richtungen, die nur sehr wenige Mitglieder haben - und sich je nach Gefallen und je nachdem, was man selbst als sinnvoll, nützlich und ansprechend beurteilt, sie sich zu eigen zu machen.

Fazit: alles in Butter, alles bestens :)

grüsse, barbara

Mc Claudia:
Ich steh auf Butter. Danke Barbara.   :D  :kuss:

Giles:
liebe Claudia,

es geht ja nicht darum, in ein kasterl zu passen sondern aus ihnen heraus zu steigen. wie man was nennt ist, ausnahmen solls geben, nicht immer sooooo wichtig, sondern wies gemeint ist. Dein weg, Deine begriffe, Deine welt. Jede "glaubensrichtung" gleich welcher couleur ist ja auch nur eine weggemeinschaft, eine wandergruppe sozusagen. in einer solchen fallen auch jedem andere dinge auf, y sieht ein reh, x eine schlange, etc. insofern geht es ums gehen, nicht ums ankommen  ;)

alles liebe
Wolf

Seth:
Das war's?
Mehr fällt euch dazu nicht ein?

Was McClaudia da erklärt ist kein Einzelfall.
Ich würde sagen es ist ein Trend.
Es ist nicht nur sie, die so denkt.

Dieses Gotteswahn hab ich mir auch mal gekauft.
Aber allein das, was er faktisch zu Religionen beiträgt, wenn er sie beschreibt, ist faktisch falsch. Er dreht und wendet es, wie er es braucht.
 UND was er typisch wissenschaftlich macht, hat mich derart angewidert, dass ich mir gesagt habe:
DU ARSCH. Was nicht in dein RASTER passt, ist für DICH auch nicht WERT, dass DU drüber nachdenkst?
ABER SO argumentiert ein Atheist. Alles Quatsch. Ich bin die Wahrheit. NEIN, ist er nicht.
ER hat, was die noch existierenden Religionen angeht , keine Sachkenntnis bewiesen. Er beschreibt sie faktisch falsch. Und DAS systematisch durchweg. So hat er von (fast) der ersten Seite an seine Autorität verloren.
Er mag ein guter Wissenschaftler sein. Und als solcher ist er dem Darwinismus und somit dem Atheismus verpflichtet, aber dieses Buch hätte er nicht schreiben sollen. Es hat ihn, und er sich selbst, in  Ehrlichkeit und Objektivität: nach ganz weit Außen gestellt.
SORRY für ihn.

Aber das, was McClaudia an Überlegungen anstellt, ist im Prinzip nicht neu.
Es gibt Phasen im Leben eines Menschen, in denen er sich enfach gegen den ständigen Druck, gegen die Dauerberieselung durch die Medien nicht mehr wehrt. Er verliert sich selbst. Er wird zur Masse. So wie alle anderen auch.
Ich habe "Gott" schon so oft verflucht, ihn schon so oft als Scharlatan entlarvt. Mit seinen Pseudorealitäten, seinen Gaukeleien, die er Realität nennt. Aber am Ende musste ich doch immer wieder einsehen: Jeder Mensch bestimmt sein Leben selbst. Und daran führt kein Weg vorbei. Die Rahmenbedingen genauso wie die Einzelheiten. Und auch DAS ist ein Trend, den immer mehr Menschen einsehen.
Aber das, was man über Darwinismus in der Schule zwangsgelehrt bekommt, neben Lesen und Rechnen, ist Präsent. Ein Leben lang. Andere Gesellschaften, die eben nicht den Darwinismus in der Schule gelehrt bekommen haben keine Glaubenskrisen. Seltsam.

soweit von mir.

Als ich die überschrift las, dachte ich, dass sich dahinter mehr als vier Antworten verbergen. Aber - man täuscht sich halt selbst...immer und immer wieder.

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