Feuerkreise

Der äußere Kreis (für Gäste sichtbar) => Ritualkreis => Thema gestartet von: Mc Claudia am Oktober 22, 2010, 15:14:39

Titel: Tarot, Kelten, Frust und Lust
Beitrag von: Mc Claudia am Oktober 22, 2010, 15:14:39
Hi,

so alle zwei Jahre vor Samain krieg ich Lust, mich wieder mal mit Tarot und anderen Orakelsystemen zu beschäftigen. Und ja, ich gebs zu, ich sammle die Dinger auch bis zu einem gewissen Grad, weil mir die Bilder, die Kunst so gut gefällt. Einige Kartensets hab ich nur aus Liebhaberei zu Hause, weil ich die Kunst so faszinierend finde.


Erst der Frust:

Kann mir vielleicht irgendwer verraten, warum es bis dato kein gscheites Kelten-Tarot gibt? Ich meine eines, das historisch halbwegs akzeptabel, heidnisch, tiefgängig UND künstlerisch halbwegs ansprechend ist? Hätte ich mehr Zeit, tät ich selbst eins zeichnen, wenn auch meine künstlerischen Fähigkeiten zu wünschen übrig lassen.

Die Kelten-Tarots, die es gibt, sind entweder Arthur-lastig:

http://www.aeclectic.net/tarot/cards/arthurian/ (http://www.aeclectic.net/tarot/cards/arthurian/)

http://www.aeclectic.net/tarot/cards/avalon/ (http://www.aeclectic.net/tarot/cards/avalon/)

oder voller Feen, Drachen und Elfchen:

http://www.aeclectic.net/tarot/cards/fairy-ring-oracle/ (http://www.aeclectic.net/tarot/cards/fairy-ring-oracle/)

http://www.aeclectic.net/tarot/cards/celtic-dragon/ (http://www.aeclectic.net/tarot/cards/celtic-dragon/)

oder es geht nur um die Natur und den grünen Mann:

http://www.aeclectic.net/tarot/cards/voice-trees/ (http://www.aeclectic.net/tarot/cards/voice-trees/)

http://www.aeclectic.net/tarot/cards/greenwood/ (http://www.aeclectic.net/tarot/cards/greenwood/)

oder es ist absolut Druidenorden- und Wicca-lastig:

http://www.aeclectic.net/tarot/cards/druidcraft/ (http://www.aeclectic.net/tarot/cards/druidcraft/)

http://www.aeclectic.net/tarot/cards/faery-wicca/ (http://www.aeclectic.net/tarot/cards/faery-wicca/)

oder aber es gibt keine ausgemalten kleinen Arcana:

http://www.aeclectic.net/tarot/cards/celtic/ (http://www.aeclectic.net/tarot/cards/celtic/)

http://www.aeclectic.net/tarot/cards/merlin/ (http://www.aeclectic.net/tarot/cards/merlin/)

oder sie sprechen mich künstlerisch so gar nicht an:

http://www.aeclectic.net/tarot/cards/celtici/ (http://www.aeclectic.net/tarot/cards/celtici/)

http://www.aeclectic.net/tarot/cards/celtic-wisdom/ (http://www.aeclectic.net/tarot/cards/celtic-wisdom/)

Oder die Bilder schaun aus wie aus nem Asterix- oder Slaine-Comic-Band:

http://www.aeclectic.net/tarot/cards/celtic-gaudenzi/ (http://www.aeclectic.net/tarot/cards/celtic-gaudenzi/)

http://www.aeclectic.net/tarot/cards/druids/ (http://www.aeclectic.net/tarot/cards/druids/)

Dass fast alle künstlerischen Kelten-Umsetzungen durch die Bank an ahistorischen Darstellungen leiden, bleibt noch zu erwähnen. Es ist zum junge Hunde kriegen. Fällt den Künstler/innen nix anderes ein bei Kelten als Arthur, Wicca, Bäume und Cernunnos?

OK, ein Tarot gibts, das ist zwar auch unhistorisch, hat aber symbolischen Tiefgang und angenehmerweise nirgends Pentagramme, und nein, es gibt auch keinen Cernunnos statt des Teufels (juhu), und die Darstellung mit der Fotomontage gefällt mir recht gut. Das Gelbe vom Ei, wenn ich an Kelten denk, isses aber auch nicht:

http://www.aeclectic.net/tarot/cards/sacred-circle/ (http://www.aeclectic.net/tarot/cards/sacred-circle/)


Aber, OK, den Römer- und Griechenfans gehts auch nicht besser. Die Tarots, wo es ums alte Griechenland geht, sind auch teilweise unhistorisch, comichaft oder schlicht sexistisch.

Aber für die Asatru-Fans gibts geile Wikinger-Tarots, die historisch m.E. alle Stückeln spielen:

http://www.aeclectic.net/tarot/cards/norse/ (http://www.aeclectic.net/tarot/cards/norse/)

http://www.aeclectic.net/tarot/cards/vikings/ (http://www.aeclectic.net/tarot/cards/vikings/)


Da ich ja hin und wieder doch gern Tarot-Karten lege, hab ich vor Kurzem beschlossen, alle Versuche, mich mit einem Keltentarot anzufreunden, ad acta zu legen und mich mit anderen Tarot-Interpretationen anzufreunden. So hab ich grad ein absolutes Faible für die Verbindung von Gold und Renaissance:

http://www.aeclectic.net/tarot/cards/es ... naissance/ (http://www.aeclectic.net/tarot/cards/estensi-golden-renaissance/)

http://www.aeclectic.net/tarot/cards/golden-botticelli/ (http://www.aeclectic.net/tarot/cards/golden-botticelli/)

Und was man aus dem guten alten Rider Waite-Tarot machen kann, find ich auch genial:

http://www.aeclectic.net/tarot/cards/pictorial-key/ (http://www.aeclectic.net/tarot/cards/pictorial-key/)

Und weils nix Historisches von den Kelten gibt, habe ich mich mit den Etruskern, die ja mit den Kelten zusammen durch die Hallstattkultur irgendwie verbandelt waren, angefreundet, jedenfalls erfüllt dieses Tarot all meine historischen Bedürfnisse an der Eisenzeit:

http://www.aeclectic.net/tarot/cards/etruscan/ (http://www.aeclectic.net/tarot/cards/etruscan/)


Was sind Eure Lieblings-Tarots? Habt Ihr ein Deck zum Legen und fertig, oder hat Euch wie mich auch ein bisserl die Sammelleidenschaft gepackt?

Neugierig bin!

Liebe Grüße

Mc Claudia
Titel: Re: Tarot, Kelten, Frust und Lust
Beitrag von: Roana am Oktober 22, 2010, 15:53:42
Also zum Orakeln und Legen hab ich ein Rider-Waite ganz klassisches Tarot. Ich finde, die Archetypen werden da einfach am besten dargestellt.

Zum dran ergötzen hab ich noch ein anderes ohne Titel,  was künstlerisch sehr hübsch gestaltet ist - aber die Archetypen weniger gut rüber bringt.

LG
Ro
Titel: Re: Tarot, Kelten, Frust und Lust
Beitrag von: morgane am Oktober 22, 2010, 16:24:10
Ich bin mit meinem *tarot der weisen frauen* seit jahren verbunden und könnte kaum mit einem anderen arbeiten, obwohl mir das modernisierte *rider - waite* aus dem link auch zusagt. Wie Roana finde ich auch, dass es die archetypen sauber darstellt.

Angefangen habe ich mit dem *crowley* - tarot, aber das ist mir jetzt zu symbolschwanger und golden dawn - lastig.

lg morgane
Titel: Re: Tarot, Kelten, Frust und Lust
Beitrag von: Mc Claudia am Oktober 24, 2010, 11:48:30
Hi,

Jo, mit dem Crowley-Tarot bin ich irgendwie nie warm geworden, obwohl ich in meiner Satanisten/Wicca-Zeit mit Crowleys Ideen geliebäugelt habe. Aber die künstlerische Umsetzung war nicht meins.

Das Rider Waite Tarot hat ja einen irren Einfluss. Ein Gros der verschiedensten neuen Tarots orientiert sich an seiner Symbolik.

Da ich auch immer ein bisserl auf Gendergerechtigkeit schau, hab ich immer ein Problem gehabt mit den Hofkarten.

Bei der klassischen Konstellation hat man: Bub, Ritter, König und Königin. Die Symbolik ist da ähnlich wie in einer Zunft. Also der Bub ist das Kind, der Lernende, der Ritter der Geselle und König und Königin der Meister. Wobei ich mir nie wirklich im Klaren war, wo ich jetzt einen Unterschied machen soll in der Symbolik zwischen König und Königin. Außer einen geschlechtlichen, wenn die Karten auf reale Personen hinweisen?

Dann gibts einige Decks, die gegendert sind, wo es also: Prinz / Prinzessin gibt, wobei der Prinz die Symbolik des Ritters, die Prinzessin die des Buben übernimmt. Das ist für mich auch irgendwie unbefriedigend, denn nach obiger Symbolik wäre die Prinzessin dann immer das Kind, während der Prinz der Geselle ist.

Crowley hat dann überhaupt keinen König, sondern stattdessen den Ritter und zusätzlich Prinz und Prinzessin.

Eine geniale geschlechtergerechte Idee fand ich im alten Cary-Yale-Visconti-Tarot:

http://www.tarothistory.com/caryyalevisconti.html (http://www.tarothistory.com/caryyalevisconti.html)

Da gibt’s einen weiblichen und männlichen Pagen (Bub) und einen weiblichen und männlichen Ritter, also zu jeder Farbe sechs Hofkarten! Ich finde es faszinierend, dass die Kartengestalter/innen für dieses Tarot aus dem 15. Jhdt. auf Genderparität bedacht waren …. :)

Abgesehen von all diesen Ideen habe ich da vor Kurzem eine Idee gehabt, die ich weiter verfolgen werde, wobei man mit vier Hofkarten auskommt, aber auch Geschlechterparität erreichen kann – das reale Geschlecht bei der Legung tritt dabei in den Hintergrund: Der Schwerpunkt liegt dabei auf der menschlichen Entwicklung, wie oben beschrieben: Lehrling – Geselle – Meister, wobei ich als Viertes den „Großmeister“ bzw. „Weiser“ oder „Ältester“ nehme.

In einem klassischen Deck würde das so aussehen:
Bub – Lehrling, Kind, Unbeholfener
Ritter – Geselle, Aktiv Handelnder, Suchender
König – Souverän, Meister
Königin – Weise, Älteste, die über den Dingen steht, höchste Instanz

In einem Deck mit Prinz / Prinzessin, könnte man je nach Deck die von mir genannten Phasen nach Belieben für jede Farbe eigens aufteilen:
Prinz / Prinzessin: Lehrling
Prinz / Prinzessin: Geselle/in
König / Königin: Meister/in
König / Königin: Älteste/r

@Morgane:

Meinst Du dieses Tarot?

http://www.tarotwelten.de/wfrauen.htm (http://www.tarotwelten.de/wfrauen.htm)

Mit dem hatte ich dasselbe Problem wie mit dem Druid-Craft-Tarot: Supergeniale Kunst, aber von der Symbolik und Historizität ist mir das zu gezwungen. Also ob man das Mittelalter (beim Weisen-Frauen-Tarot) oder die Kelten (beim Druid-Craft-Tarot) mit aller Gewalt in die Wicca-Symbolik reinquetschen muss (wobei ich mich beim Tarot der Weisen Frauen frage, wo die ganzen Frauen bleiben – die Darstellungen zeigen sogar dort Männer (z.B. bei der Gerechtigkeit), wo es in den trad. Decks Frauen sind). Künstlerisch sind sie aber cool.

Liebe Grüße

Mc Claudia
Titel: Re: Tarot, Kelten, Frust und Lust
Beitrag von: morgane am Oktober 24, 2010, 14:03:27
Hi mc. claudia!
Ja, das ist meins. Und natürlich ist es wiccalastig. Das ist ja, wie du dir vielleicht denken kannst, mein kleinstes problem  ;)
Außerdem, bist du einmal auf ein deck geprägt, dann funzt es, egal, ob es jetzt ganz authentisch ist oder nicht. Die sache mit den hofkarten sehe ich ähnlich wie du. Dabei habe ich aber wenig gender - probleme. Die 3 stufen entsprechen genau den 3 graden der magischen systeme. König und königin verstehe ich als polaritäten oder besser gesagt als verschiedenener ausdruck grundsätzlich gleicher qualitäten. Da hat es natürlich schon etwas zu sagen, wenn eine frau den könig zieht und ein mann die königin, oder, wenn man die geschlechtskonforme karte zieht. Und bei bube oder ritter ist m.e. das geschlecht nicht wichtig. Sie beschreiben geschlechtsneutrale zustände, wie du z.b. richtig gedeutet hast, der aktiv handelnde oder der suchende. Da ist es egal, ob mann oder frau.
Aber, wie gesagt, vielleicht bin ich auch schon zu sehr darauf geprägt, als dass ich da probleme erkennen könnte.

lg morgane
Titel: Re: Tarot, Kelten, Frust und Lust
Beitrag von: Roana am Oktober 25, 2010, 02:00:08
Also für meinen Geschmack gendert das allmählich ein wenig viel... ja, man kann den Proporz weiblicher und männlicher einfordern. Aber ist das - außer für Hardcore-Feminazis - überhaupt relevant?

Meiner Meinung nach zeigen die großen Arcana gerade beim Rider-Waite in ihrer Abfolge sehr schön einen spirituell-magischen Einweihungsweg. Und wer liebe Frauen und Frauinnen, wenn nicht Magier, wüssten, wie irrelevant Geschlechter sind... :D

LG
Ro

...die jetzt mal wieder versucht einzuschlafen...
Titel: Re: Tarot, Kelten, Frust und Lust
Beitrag von: Ritter vom Schach am Oktober 25, 2010, 07:16:20
Hallo zusammen,

ich meine nicht, dass Frauen und Männer im Tarot gleich zu bewerten sind und deswegen finde ich Mc Claudia's Hinweis sehr interessant; ferner ist das Geschlecht - für mich zumindest - absolut nicht irrelevant.

Abgesehen davon finde ich den Begriff "Hardcore-Feminazis" unangebracht, da es eine Form der Verniedlichung eines Namen ist, unter dem Wahnsinnige Europa mit Schwerstverbrechen und Grausamkeit überzogen haben.

Liebe Grüße,
Alexander
Titel: Re: Tarot, Kelten, Frust und Lust
Beitrag von: Roana am Oktober 25, 2010, 07:44:11
OT: Hardcore-Feminazis sind für mich Feministinnen, bei denen das Thema vorwiegend zum Selbstzweck geworden ist und die mit "Ich habe recht und alle die was anderes meinen sind [hier beliebiges Schimpfwort einsetzen]" Halt ganz im Stil der historischen Vorbilder und deren heutigen Nacheiferer. Es gibt in der deutschen Sprache leider keinen Ausdruck dafür, der passend wäre.

Aber das sollten wir nicht in diesem Thread diskutieren sondern in einem anderen.

Zurück zum Tarot:
Man muss natürlich auch sehen, in welcher Zeit die ganzen "Gründerväter" der modernen Esotherik und neuheidnischen Religionen lebten... Im ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhundert war das mit der Gleichberechtigung mit Ausnahmen von ein paar "Blaustrümpfen" noch so garnicht in den Köpfen drin weshalb man das heute den damaligen Gestaltern nicht zum Vorwurf machen sollte. Sie waren Kinder ihrer Zeit so wie wir Kinder unserer Zeit sind. Vielleicht wird in 100 Jahren das Fliegen und Autofahren geächtet, dann träfe uns der Bannstrahl aus der Zukunft.

Zitat von: "SiRacor"
ich meine nicht, dass Frauen und Männer im Tarot gleich zu bewerten sind und deswegen finde ich Mc Claudia's Hinweis sehr interessant; ferner ist das Geschlecht - für mich zumindest - absolut nicht irrelevant.

Da gebe ich Dir vollkommen recht denn sie stellen Archetypen dar  und sind (s.o.) mitnichten unter Gleichberechtigungs- oder Unterdrückungsgesichtspunkten dort aufgeführt. Was ich meinte ist, dass man magische Einweihungswege nicht unter feministischen Gesichtspunkten betrachten sollte. Da würde man Dinge zusammen bringen und vergleichen, die artfremd sind.

Und ja - im heutigen, wirklichen Leben sollten Mann und Frau gleichberechtigt sein denn wir leben heute nicht mehr im ausgehenden 19. Jahrhundert.

LG
Ro
Titel: Re: Tarot, Kelten, Frust und Lust
Beitrag von: Ritter vom Schach am Oktober 25, 2010, 08:01:42
Zitat von: "Roana"
Man muss natürlich auch sehen, in welcher Zeit die ganzen "Gründerväter" der modernen Esotherik und neuheidnischen Religionen lebten... Im ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhundert war das mit der Gleichberechtigung mit Ausnahmen von ein paar "Blaustrümpfen" noch so garnicht in den Köpfen drin weshalb man das heute den damaligen Gestaltern nicht zum Vorwurf machen sollte. Sie waren Kinder ihrer Zeit so wie wir Kinder unserer Zeit sind. Vielleicht wird in 100 Jahren das Fliegen und Autofahren geächtet, dann träfe uns der Bannstrahl aus der Zukunft.

Keine Frage, aber was sind "Blaustrümpfe"?

Zitat von: "Roana"
Da gebe ich Dir vollkommen recht denn sie stellen Archetypen dar  und sind (s.o.) mitnichten unter Gleichberechtigungs- oder Unterdrückungsgesichtspunkten dort aufgeführt. Was ich meinte ist, dass man magische Einweihungswege nicht unter feministischen Gesichtspunkten betrachten sollte. Da würde man Dinge zusammen bringen und vergleichen, die artfremd sind.

Hm, ich bin nicht über diverse Einweihungswege informiert, aber vielleicht könnten sich hier entsprechende Vertreter dazu äußern?

Alles Liebe,
Alexander
Titel: Re: Tarot, Kelten, Frust und Lust
Beitrag von: Roana am Oktober 25, 2010, 08:34:22
Zitat von: "SiRacor"
Keine Frage, aber was sind "Blaustrümpfe"?

http://de.wikipedia.org/wiki/Blaustrumpf (http://de.wikipedia.org/wiki/Blaustrumpf)

Zitat von: "wikipedia"
Blaustrumpf war im 19. Jahrhundert eine abwertende Bezeichnung für bestimmte gebildete, aber als unweiblich geltende Frauen. Man zählte sie zu den ersten Angehörigen einer Frauenbewegung, analog zur „Emanze“ der 1970er Jahre.

Zitat von: "SiRacor"
Hm, ich bin nicht über diverse Einweihungswege informiert, aber vielleicht könnten sich hier entsprechende Vertreter dazu äußern?

Ich schau mal die Tage, ob ich das noch zusammen kriege... dann aber in einem eigenen Thread.

LG
Ro
Titel: Re: Tarot, Kelten, Frust und Lust
Beitrag von: Giles am Oktober 25, 2010, 10:33:55
Zitat von: "Mc Claudia"
Da ich auch immer ein bisserl auf Gendergerechtigkeit schau, hab ich immer ein Problem gehabt mit den Hofkarten.
Bei der klassischen Konstellation hat man: Bub, Ritter, König und Königin. Die Symbolik ist da ähnlich wie in einer Zunft. Also der Bub ist das Kind, der Lernende, der Ritter der Geselle und König und Königin der Meister. Wobei ich mir nie wirklich im Klaren war, wo ich jetzt einen Unterschied machen soll in der Symbolik zwischen König und Königin. Außer einen geschlechtlichen, wenn die Karten auf reale Personen hinweisen?

Die Sammelbezeichnung lautet "Hofkarten" oder "Court Cards" und sie stellen in aller Regel Personen dar. Der Page ist der jüngste, er wird fast immer als Kind oder junge Frau gelesen. Lernen tut der gar nix, sondern ist primär Kind. Ich hielte es für wenig bereichernd, ihn quasi als Lehrling des Rittertums zu sehen. Eher ist der RItter ein Lehrling des Königtums.
Ansonsten ist der Ritter schlicht und ergreifend Ritter. Die unterschiedlichen Farben machen sein Temperament aus: stürmisch wie bei den Schwertern bis statisch wie bei den Münzen.
Jede dieser Karten hat eine eigene Tradition wie man sie liest, was welche Karte für Eigenschaften hat, das geht bis zu den Sternzeichen. Und dann, wenn man sie in Beziehung zueinander setzt, erzählen sie einem vor allem sehr viel über "Austausch" im weitesten Sinne.

Zitat von: "Mc Claudia"
Dann gibts einige Decks, die gegendert sind, wo es also: Prinz / Prinzessin gibt, wobei der Prinz die Symbolik des Ritters, die Prinzessin die des Buben übernimmt. Das ist für mich auch irgendwie unbefriedigend, denn nach obiger Symbolik wäre die Prinzessin dann immer das Kind, während der Prinz der Geselle ist.

Von "gegendert" ist da, sorry Dich zu enttäuschen, keine Rede. Das hat giga-komplizierte kabbalistische Gründe die letztlich auf Mann-Frau Polarität hinauslaufen - insofern hast fast wieder recht  :D
Merke allerdings: die Prinzessin ist dabei das höchste und kommt (so Crowley) sogar vor der Königin. Eine Begründung für diese Sichtweise liefert der Laird of Boleskine leider nicht. Dass er Frauen viel lieber mochte als Männer kann man so ja auch nicht sagen .....

Zitat von: "Mc Claudia"
Eine geniale geschlechtergerechte Idee fand ich im alten Cary-Yale-Visconti-Tarot:

Meinst nicht, Du übertreibst es eventuell ein  bissl mit Geschlechterparität und so ? Wenn man Deine Gedanken so fortspinnt, dann brauchen wir auch eine Karte "Teufels Grossmutter" oder eine "Närrin" ? Naja, ist so eher nicht mein Stil.
Wo Du tatsächlich interessante Dinge findest ist in der Darstellung der Liebenden. Das war nämlich primär eine Karte der Entscheidung - junger Mann stand zwischen junger armer und alter reicher Frau ODER junge Frau stand zwischen jungem armen und altem reichen Mann. Tendentiell fanden eher die Blicke der Jugend zueinander ; )
In Oberitalien, insbesondere Florenz und Mailand, hat da in der Tarocchi Tradition sehr früh (ca 1780 - 1810) großartige Bilder geschaffen. Es gibt da Darstellungen wo sich eine Frau nicht zwischen Mann und Frau entscheiden kann, oder ein Mann nicht zwischen seinem und dem andern Geschlecht wählen mag. Auch Darstellungen wo sich jemand eben NICHT entscheidet, sondern mit beiden weggeht - herrlich!


Zitat von: "Mc Claudia"

In einem klassischen Deck würde das so aussehen:
Bub – Lehrling, Kind, Unbeholfener
Ritter – Geselle, Aktiv Handelnder, Suchender
König – Souverän, Meister
Königin – Weise, Älteste, die über den Dingen steht, höchste Instanz

In einem Deck mit Prinz / Prinzessin, könnte man je nach Deck die von mir genannten Phasen nach Belieben für jede Farbe eigens aufteilen:
Prinz / Prinzessin: Lehrling
Prinz / Prinzessin: Geselle/in
König / Königin: Meister/in
König / Königin: Älteste/r

Also wenns DIr hilft, dann viel Spaß. Für mich ist das verkopft und wirr zugleich, eine seltene Kombination. Mann und Frau macht nun mal einen Unterschied, wobei durchaus die Königin für einen Mann stehen kann, der hat dann aber entsprechende weibliche Eigenschaften (der kollegiale Skorpionstich der Schwertkönigin kann auch männlich dargeboten werden) aber mir ist zum Beispiel nie eine männliche Königin der Pentakel begegnet.


Du hast geschrieben, dass Du selber ein Deck zeichnen möchtest. Ich kann Dir das nur allerwärmesten empfehlen. Egal wie schön oder hässlich sie werden, Du lernst dadurch ganz anders hinschauen. Und darum gehts nach meinem bescheidnen Dafürhalten. Die Karten geben so irrsinnig viel und sind so was unglaublich schlaues, das wirklich fast alles erklärt wenn einem der Knopf im Hinschauen aufgeht - lass Dich nicht abbringen, nur weil Du kein historisch korrektes Bla-Tarot bekommst. Mit Keltentum haben die Karten bekanntlich NULL am Hut. Ergo: wozu kombinieren, wenns noch dazu mühsam ist ?

Btw: Im 14ten Bezirk steht das Piatnik Haus. Die machen angeblich nach Anmeldung Führungen in ihre Sammlungen. Das ist eine der tollsten Europas. Hat wer außer mir Interesse das mal anzuschauen ?
Titel: Re: Tarot, Kelten, Frust und Lust
Beitrag von: morgane am Oktober 25, 2010, 11:18:45
Ich habe generell ein problem damit, die tarotkarten auf andere kulturkreise auszulegen (indigene gruppen), weil sie mit den magischen systemen vornehmlich europas nicht korellieren. Indianer haben nunmal wenig gemeinsam mit dem kabbalistischen lebensbaum, wie ihn golden dawn verwendete, mit den element zuordnungen in scheiben, stäbe, kelche und schwerter, mit den archetypen der einweihungswege des hermetischen weges usw.

Kelten hatten meines wissens auch wenig am hut mit solchen dingen, auch wenn vielleicht manches, wie die *magischen waffen* schild, speer, kessel und schwert doch eine verbindung damit erkennen lassen.

Für legungen für *nicht eingeweihte* ;) eignen sich auch decks besser, die nicht mit hermetischen symbolen überladen sind, sondern einfache aussagen machen lassen. Für den eigengebrauch ist ein tarot wie z.b. das crowley tarot recht aussagekräftig, natürlich nur, wenn man damit was anfangen kann. Auch das buch mit den deutungen finde ich recht gut und detailliert.

lg morgane
Titel: Re: Tarot, Kelten, Frust und Lust
Beitrag von: Mc Claudia am Oktober 25, 2010, 12:39:32
Hi,

nur weil das Tarot eine europäische Erfindung ist, heißt das nicht, dass es sich nicht mit anderen Kulturen synkretisieren ließe.

Eine Native-American-Frau hat z.B. das Native-American-Tarot konzipiert. Mit dem legte ich früher in meiner "Indianer-Spleen"-Zeit:

http://www.aeclectic.net/tarot/cards/native-american/ (http://www.aeclectic.net/tarot/cards/native-american/)

Das Tarot ist - wie Giles schon sagte - dermaßen vielschichtig und flexibel, dass es sogar sehr leicht auf andere kulturelle Symbolwelten anwendbar ist, bzw. man da leicht Assoziationen herstellen kann. Nicht umsonst gibts schon so viele historische und kulturelle Tarots. Man muss nur beides gut kennen: das Tarot und die Kultur, die man da einbauen will.

Das I-Ching z.B. funktioiniert ja auch in der westlichen Welt, WEIL die Symbole übersetzt werden können.

(Ich bin jetzt auch grad der Meinung, dass ein gutes Orakelsystem eines ist, das überall funktioniert ....)

liebe Grüße

Mc Claudia
Titel: Re: Tarot, Kelten, Frust und Lust
Beitrag von: Mc Claudia am Oktober 25, 2010, 13:18:20
Hi,

zu meinem Gendern von Tarotkarten: Nein, ich bin nicht der Meinung, dass in einem geschlechtergemischten Tarotdeck eine Närrin geben muss, da in den üblichen Großen Arkana eine ziemliche quantitative Gleichberechtigung herrscht. Allerdings fände ich es aufgrund kreativer Ideen durchaus interessant, die Großen Arkana geschlechterumzuwandeln – auf Nummer 5 die Päpstin, auf Nummer 2 der Papst, Nummer 1 die Magierin, Nummer 3 der (Erd)König, Nummer 15 die Teufelin, Nummer 21 der Welt …..  :icon_twisted:  :icon_twisted:

Ich sagte ja auch nur, dass mich das bei den Hofkarten stört, weil hier ja auch konkrete Personen gemeint sein können bei der Legung.

Natürlich ist ein Symbolsystem ein Symbolsystem ein Symbolsystem … und hat mit der realen Welt eher nix zu tun, außer dass reale Menschen mit realen Intentionen Symbole fabrizieren.

Die Aussage, dass es mit dem Patriarchat des 18./19. Jhdts. zu tun hat, dass das Tarot eher männliche Figuren aufweist, kann ich so sowas von gar nicht stehen lassen, denn ein Symbolsystem ist ein Symbolsystem ist ein Symbolsystem … und wenn man sich die ersten Tarots des 15./16. Jhdts. aus Italien anguckt, findet man da faszinierenderweise viel mehr weibliche Figuren als männliche. Warum? Vielleicht, weil es sich um Symbole handelt, die nichts mit der menschlichen Realtiät zu tun haben, und weil es gute alte europäische Tradition ist, Allegorien als Frauen darzustellen. Und das dürfte sich auch in den ersten Tarots niedergeschlagen haben.

Ich verweise hier nochmals auf das Cary Yale Visconti-Tarot oder auch auf dieses hier, das zwar kein echtes Tarot ist, aber ein Wahrsagespiel aus dem Italien des 15. Jhdt.

http://www.aeclectic.net/tarot/cards/ma ... ndex.shtml (http://www.aeclectic.net/tarot/cards/mantegna/index.shtml)

Die meisten Karten zeigen als Frauen dargestellte Allegorien.

Das mit den Hofkarten störte mich übrigens schon sehr früh, ich glaub, da war ich noch jugendlich. Mei, wie hab ich mich gefreut über das Crowley-Deck, das ausgeglichene Frau-Mann-Karten hatte bei den Hofkarten! (und über alle Decks, die das auch hatten)

Was das Legen mit Tarot (oder anderem) betrifft, so habe ich schon längst aufgehört, irgendwelche Karten tatsächlich für reale Frauen oder Männer zu sehen aufgrund ihrer Darstellung. Nur wenn man sich halt auch künstlerisch und liebhaberisch mit den Karten befasst, kommt halt ein bisserl ein Unbehagen, wenn das Deck nicht passt. Bei mir sind es halt Geschlechterparität und Historizität, die sehr viel zählen.

Am meisten ärgert es mich ja, wenn ich ein Deck habe, das mich künstlerisch voll genial anspricht (wie z.B. das Druid-Craft Tarot oder das fotomontage-mäßige  Sacred-Circle-Tarot) aber unhistorisch ist bei dem, was ich suche.

Aus diesem Grund hab ich beschlossen, dass ich eben Decks habe, über die ich mich künstlerisch einfach freue und dann welche, mit denen ich lege.

@Morgane:

Das ist mir eh klar. Und logo legt man mit den Karten, die einer am besten zusagen!  ;)

Zitat von: "Giles"
Von "gegendert" ist da, sorry Dich zu enttäuschen, keine Rede. Das hat giga-komplizierte kabbalistische Gründe die letztlich auf Mann-Frau Polarität hinauslaufen - insofern hast fast wieder recht  :D
Merke allerdings: die Prinzessin ist dabei das höchste und kommt (so Crowley) sogar vor der Königin. Eine Begründung für diese Sichtweise liefert der Laird of Boleskine leider nicht. Dass er Frauen viel lieber mochte als Männer kann man so ja auch nicht sagen .....

Danke für den Hinweis. Klingt ja interessant. Da ich mit giga-komplizierten kabbalistischen Gründen eh nix am Hut habe, interessiert mich ja vornehmlich das Endergebnis und meine Sichtweise darauf.   :D  Wobei ich mal frech annehme, dass außer im Crowley-Tarot bei anderen Decks, wo es Prinz-Prinzessin  gibt (z.B. Barbara-Walker-Tarot, das mir von der Idee und dem Kunststil auch sehr gut gefällt) die Kabbalistik eher in den Hintergrund tritt??  ;)

Zitat von: "Giles"
In Oberitalien, insbesondere Florenz und Mailand, hat da in der Tarocchi Tradition sehr früh (ca 1780 - 1810) großartige Bilder geschaffen. Es gibt da Darstellungen wo sich eine Frau nicht zwischen Mann und Frau entscheiden kann, oder ein Mann nicht zwischen seinem und dem andern Geschlecht wählen mag. Auch Darstellungen wo sich jemand eben NICHT entscheidet, sondern mit beiden weggeht - herrlich!

Jo, finde ich auch. Aber das fing schon im 15. Jhdt. an. Die Kreativität bei der Kartengestaltung hat nicht erst im 20. Jhdt. begonnen, sondern schon in good old Italy!

Zitat von: "Giles"
Du hast geschrieben, dass Du selber ein Deck zeichnen möchtest. Ich kann Dir das nur allerwärmesten empfehlen. Egal wie schön oder hässlich sie werden, Du lernst dadurch ganz anders hinschauen. Und darum gehts nach meinem bescheidnen Dafürhalten. Die Karten geben so irrsinnig viel und sind so was unglaublich schlaues, das wirklich fast alles erklärt wenn einem der Knopf im Hinschauen aufgeht - lass Dich nicht abbringen, nur weil Du kein historisch korrektes Bla-Tarot bekommst. Mit Keltentum haben die Karten bekanntlich NULL am Hut. Ergo: wozu kombinieren, wenns noch dazu mühsam ist ?

Vielleicht mach ich das mal, wenn ich Zeit und Lust habe. Was die Kelten und Tarot betrifft, hab ich schon im vorigen Thread meine Meinung kundgetan. Das Tarot hat m.E. universalisierbare Symbole. Und ich hab da schon viele Ideen, wie ich ein Keltentarot gestalten würde (und nein, Cernunnos wäre da NICHT der Teufel! (sondern eher Cäsar …. :D   )

Zitat von: "Giles"
Btw: Im 14ten Bezirk steht das Piatnik Haus. Die machen angeblich nach Anmeldung Führungen in ihre Sammlungen. Das ist eine der tollsten Europas. Hat wer außer mir Interesse das mal anzuschauen ?

Das klingt ja interessant!


@Roana:
(Nebenbei bemerkt, ich finde den Ausdruck „Feminazi“ schwerst daneben und verwehre mich dagegen und zwar auf allen Ebenen. Sag von mir aus Radikalfeministinnen. Aber bitte verkneif Dir den Nazi-Begriff, der ist sowas von unangebracht in dieser Sache!)


liebe Grüße

Mc Claudia
Titel: Re: Tarot, Kelten, Frust und Lust
Beitrag von: Giles am Oktober 25, 2010, 15:06:16
hallo Mc Claudia,


Zitat von: "Mc Claudia"
(...) Allerdings fände ich es aufgrund kreativer Ideen durchaus interessant, die Großen Arkana geschlechterumzuwandeln – auf Nummer 5 die Päpstin, auf Nummer 2 der Papst, Nummer 1 die Magierin, Nummer 3 der (Erd)König, Nummer 15 die Teufelin, Nummer 21 der Welt …..  :icon_twisted:  :icon_twisted:

ja, damit kann man sich beschäftigen.
ganz böse chauvinistisch wird es wohl erst beim Wagen, hm ? oder doch schon bei Der Rad ?
interessantes spielchen.

Zitat von: "Mc Claudia"
Die Aussage, dass es mit dem Patriarchat des 18./19. Jhdts. zu tun hat, dass...

Ist historisch schlicht falsch, weil ja die Karten ein paar Hundert Jahre früher entstanden.


Zitat von: "Mc Claudia"
Was das Legen mit Tarot (oder anderem) betrifft, so habe ich schon längst aufgehört, irgendwelche Karten tatsächlich für reale Frauen oder Männer zu sehen aufgrund ihrer Darstellung.


Das war auch nicht gemeint. Ein Melancholiker (König der Kelche) kann, muss aber nicht zur Situation werden. Ein Erlebnis aus der Kindheit (Sechs der Kelche) wird hingegen eher selten zur Situation werden. Ich glaube nicht, dass es darum geht was Du in den Karten sehen willst, eher darum was Du darin siehst (und DIch auch traust, zuzugeben ...)

Zitat von: "Mc Claudia"
Wobei ich mal frech annehme, dass außer im Crowley-Tarot bei anderen Decks, wo es Prinz-Prinzessin  gibt (z.B. Barbara-Walker-Tarot, das mir von der Idee und dem Kunststil auch sehr gut gefällt) die Kabbalistik eher in den Hintergrund tritt??  ;)


ich nehme an, die anderen haben es mit und ohne Reflektionen der Gedanken Crowleys einfach übernommen. Walker wohl aus ähnlichen Motiven, wie es Dir sympathisch ist. Über diese Dame weiss iczh nichts, daher kann ich ihren Zugang ´gar nicht beurteilen. Zsuzsanna Budapest Interpretationen der Karten sind übrigens eher nicht so meins.

Zitat von: "Mc Claudia"
Jo, finde ich auch. Aber das fing schon im 15. Jhdt. an. Die Kreativität bei der Kartengestaltung hat nicht erst im 20. Jhdt. begonnen, sondern schon in good old Italy!


Nein. Die Kreativität im 15 Jhdt. hält sich in sehr eng überschaubaren Grenzen, im Prinzip gibt es meist maximal zwei Darstellungsformen. So viel hat sich da ja auch nicht erhalten.
Der Holzzdruck und damit der Triumph der Marseille-Familie hat die Karten geradezu kanonisiert. Erst in Oberitalien, Wende 17./18. Jhdt beginnt sich neuer Schöpfergeist auszubilden.
Beweise des Gegenteiles sind mir übrigens sehr willkommen !


Zitat von: "Mc Claudia"
Das Tarot hat m.E. universalisierbare Symbole.

Zweites Nein (und letztes, versprochen), es entspricht meiner Erfahrung was Morgana schrieb. Das ist eben NICHT universal, sondern kulturell geprägt. Funktioniert mit Europäern 1a, mit Amis 2b, Afrikanern im Norden 1b, je weiter weg desto schlechter gehts. Inder haut noch einigermaßen hin, eher noch als Russen, aber ganz zu Ende geht es mit Chinesen. Das ist meine persönliche Erfahrung. Leider. Ich hätte es gern so universal wie Du schreibst, aber in China ist ein Kaiser was ganz, ganz anderes als bei uns und ein Turm ebenso.
Titel: Re: Tarot, Kelten, Frust und Lust
Beitrag von: Terra am Oktober 25, 2010, 21:56:25
Hi,
 Was Tarot Decks betrifft bin ich zwar erst ein Neuling und kenn mich noch nicht so aus mit den Unterschieden.

Ich habe zwei völlig unterschiedliche Decks. Und bin immer auf der Suche nach einem weiteren.

Zitat von: "Mc Claudia"
Was sind Eure Lieblings-Tarots? Habt Ihr ein Deck zum Legen und fertig, oder hat Euch wie mich auch ein bisserl die Sammelleidenschaft gepackt?

Mein erstes Deck war eines nach Lenormand - Mystisches Lenormand - 36 Karten und alle mit Tieren.
http://http://www.aeclectic.net/tarot/cards/mystical-lenormand/

Mein zweites Deck habe ich nur durch Zufall gefunden. In der "Schütteltruhe" in meinen Lieblingsbuchgeschäft. Eigentlich paßte es dort gar nicht hin ...  ein Afrikanisches Tarot.
http://http://www.aeclectic.net/tarot/cards/african-american/
Und auch wenn manche meinen, es könnte Probleme geben, wegen der kulturellen und geschichtlichen Unterschiede, bin ich absolut begeistert davon.

Ich kann mich nur meistens nicht entscheiden, welches ich benutze ...


Im Moment suche ich ein Deck, daß vor allem "Frauenlastig" ist. Ein absolut feminines Deck. Hat irgendwer dazu Ideen, wo ich fündig werde?

Aber auch die Idee, sich ein eigenes Tarot zu basteln, finde ich echt toll.


Schönen Abend
Terra
Titel: Re: Tarot, Kelten, Frust und Lust
Beitrag von: Mc Claudia am Oktober 26, 2010, 00:49:23
Hi,

@Giles:

Zitat von: "Giles"

Zitat von: "Mc Claudia"
Die Aussage, dass es mit dem Patriarchat des 18./19. Jhdts. zu tun hat, dass...
Ist historisch schlicht falsch, weil ja die Karten ein paar Hundert Jahre früher entstanden.

Ich habe mich auf Roanas diesbezügliche Aussage bezogen.

Zitat von: "Giles"
Nein. Die Kreativität im 15 Jhdt. hält sich in sehr eng überschaubaren Grenzen, im Prinzip gibt es meist maximal zwei Darstellungsformen. So viel hat sich da ja auch nicht erhalten.
Der Holzzdruck und damit der Triumph der Marseille-Familie hat die Karten geradezu kanonisiert. Erst in Oberitalien, Wende 17./18. Jhdt beginnt sich neuer Schöpfergeist auszubilden.
Beweise des Gegenteiles sind mir übrigens sehr willkommen !

Ich weiß nicht, ob Dir das genügt. Also da wären mal die zwei Decks, die ich genannt habe, das Cary Yale Visconti mit den 6 Hofkarten, dann das Mantegna Tarot, das nur aus 50 Karten besteht und ganz anders aufgebaut ist, dann das Sola Busca Tarot, das m.W. das erste Tarot mit ausgemalten kleinen Arcana ist und in der Ikonografie teilweise das Rider Waite Tarot inspiriert haben soll:

http://www.tarotpedia.com/wiki/Sola_Busca_Tarot (http://www.tarotpedia.com/wiki/Sola_Busca_Tarot)

oder das Bojardo-Tarot (les ich auch grad zum ersten Mal ;)  ):

http://www.tarotpedia.com/wiki/Boiardo%2C_Matteo_Maria (http://www.tarotpedia.com/wiki/Boiardo%2C_Matteo_Maria)

Dann ein Charles VI. genanntes Tarot:

http://expositions.bnf.fr/renais/arret/3/ (http://expositions.bnf.fr/renais/arret/3/)


Zitat von: "Mc Claudia"
Das Tarot hat m.E. universalisierbare Symbole.
Zweites Nein (und letztes, versprochen), es entspricht meiner Erfahrung was Morgana schrieb. Das ist eben NICHT universal, sondern kulturell geprägt. Funktioniert mit Europäern 1a, mit Amis 2b, Afrikanern im Norden 1b, je weiter weg desto schlechter gehts. Inder haut noch einigermaßen hin, eher noch als Russen, aber ganz zu Ende geht es mit Chinesen. Das ist meine persönliche Erfahrung. Leider. Ich hätte es gern so universal wie Du schreibst, aber in China ist ein Kaiser was ganz, ganz anderes als bei uns und ein Turm ebenso.
[/quote]

Also ich möchte mit aller Bescheidenheit nochmals auf die Native-American-Künstlerin hinweisen, die ein Native-American-Tarot entworfen hat, das aus 22 großen Arkana und 56 kleinen Arkana besteht und voll in nordamerikanisch-indianischer Symbolik aufgeht. Warum soll sowas nicht funktionieren?

Es geht hier um Hermeneutik oder Synkretismus. Natürlich hat der Kaiser von China einen anderen Status als der Pfalzgraf von Unterstinkenbrunn oder der Häuptling der Cree. Die Symbolik der politischen Respektsperson bleibt aber erhalten.

Wenn man natürlich eisern an eindeutigen Symbolinterpretationen festhält, kann man sich das kulturelle Zwischenspiel schenken. Aber mit ein bisserl Kreativität und Willen zur Umsetzung geht das locker. Das heißt ja nicht, dass das Tarot universal IST (hab ich ja nicht behauptet), sondern dass es, auch wenn es einen bestimmten kulturellen Background hat, so genial konzipiert ist, dass es universalisierbar ist (wenn man das möchte).

Der Papst ist halt dann kein Papst mehr sondern ein Schamane, Priester, Druide, Gode, was weiß ich, je nach Kultur halt. Jede Kultur hat Leute, die mit Geistern quatschen und als geistliche Autoritäten gelten. Den Turm, den ich immer als Zerstörung und Machtverlust deute, ist auch umsetzbar. Überall gibt’s auch mal Zerstörung. Usw.

Und die vier Elementsymbole (waren die ursprünglich überhaupt als solche gedacht? Ich hörte mal von der Idee, dass es die vier Standessymbole seien: Kelch: geistlich, Stab: Bauern, Schwert: Adlige, Münz: Händler) lassen sich auch kreativ umformen. Beim besagten Native-American-Tarot sind die Stäbe heilige Pfeifen, die Schwerter Streitbeile (Tomahawks), die Münzen Kriegsschilde und die Kelche tönerne Schüsseln. Schwert sieben – meine Lieblingskarte in diesem Tarot – war der Pferdedieb.

Wenn ich so drüber nachdenk, ist das Tarot als Bilderorakel jedenfalls leichter umlegbar auf andere Kulturen als z.B. Runen, Ogam oder I-Ging, weil die alle drei vorgegebene kulturell immanente Symbole verwenden, die als solches feststehen. Im Tarot hat man eigentlich nur komplexe Bilder, die so oder auch anders ausschauen können und so oder anders interpretierbar sind.

Also egal, ich finde schon, dass das Tarot universalisierbar ist.


@Terra:

das African-American-Deck schaut nett aus. Dürfte die afro-brasilianischen Kulte zum Thema haben, oder?

Frauendecks hier bitte, suchst Du aus aus großer Wühlkiste  :)  :

Da sind ausschließlich Frauen drauf. Die „Liebende“-Karte zeigt ein lesbisches Paar. (Es gibt aber zwei Ersatzkarten, glaub ich, wenn man doch zwei männliche Figuren dabei haben will.

http://www.tarotwelten.de/daught.htm (http://www.tarotwelten.de/daught.htm)

Das hier lehnt sich an die Ureinwohner/innen Americas an, wenn auch in leicht kindlicher Weise:

http://www.aeclectic.net/tarot/cards/medicine-woman/ (http://www.aeclectic.net/tarot/cards/medicine-woman/)

Das hier ist kein reines Frauentarot, hat aber matriarchale Ideen zum Vorbild. Die Hofkarten sind gegendert:

http://www.tarotwelten.de/mopeace.htm (http://www.tarotwelten.de/mopeace.htm)

Das Barbara Walker Tarot ist zwar eher traditionell, hat aber auch matriarchale Ideen in der Symbolik:

http://www.tarotwelten.de/walker.htm (http://www.tarotwelten.de/walker.htm)

Dann gibt’s da ein Göttinnentarot:

http://www.tarotwelten.de/goddess.htm (http://www.tarotwelten.de/goddess.htm)

Und ein Lesben-Tarot (die künstlerische Umsetzung schaut ja irgendwie geil aus …) :

http://www.aeclectic.net/tarot/cards/bapst-hall/ (http://www.aeclectic.net/tarot/cards/bapst-hall/)

und noch eins, was nett ausschaut:

http://www.aeclectic.net/tarot/cards/an ... ne-wisdom/ (http://www.aeclectic.net/tarot/cards/ancient-feminine-wisdom/)

ach guck doch selber  ;)  :

http://www.aeclectic.net/tarot/cards/goddess.shtml (http://www.aeclectic.net/tarot/cards/goddess.shtml)


Liebe Grüße

Mc Claudia
Titel: Re: Tarot, Kelten, Frust und Lust
Beitrag von: Giles am Oktober 26, 2010, 10:27:06
hallo Claudia und alle,

Zitat von: "Mc Claudia"
Ich habe mich auf Roanas diesbezügliche Aussage bezogen.

ja, das war mir eigentlich klar - sorry wenn das nicht rüberkam.

Zitat von: "Mc Claudia"
Ich weiß nicht, ob Dir das genügt. Also da wären mal die zwei Decks, die ich genannt habe, das Cary Yale Visconti mit den 6 Hofkarten, dann das Mantegna Tarot, das nur aus 50 Karten besteht und ganz anders aufgebaut ist, dann das Sola Busca Tarot, das m.W. das erste Tarot mit ausgemalten kleinen Arcana ist und in der Ikonografie teilweise das Rider Waite Tarot inspiriert haben soll:
http://www.tarotpedia.com/wiki/Sola_Busca_Tarot (http://www.tarotpedia.com/wiki/Sola_Busca_Tarot)
oder das Bojardo-Tarot (les ich auch grad zum ersten Mal ;)  ):
http://www.tarotpedia.com/wiki/Boiardo%2C_Matteo_Maria (http://www.tarotpedia.com/wiki/Boiardo%2C_Matteo_Maria)
Dann ein Charles VI. genanntes Tarot:
http://expositions.bnf.fr/renais/arret/3/ (http://expositions.bnf.fr/renais/arret/3/)

Darf ich Dir zur geschichte des Tarot "Decker / Dummet: AHistory of the Occult Tarot" sowie Kaplans "Encyclopedia of the Tarot", insbes. Bände I und II empfehlen. Daraus ergäbe sich:
das Sola Busca ist ein kartenspiel aber kein Tarot. die "großen Arkana" haben mit unsern null zu tun, sondern stellen primär antike Götter dar. ein Bojardo Tarot gibt es nicht, sondern nur ein gedicht über karten von diesem herren. was LoSacrabeo, die ich serh schätze, im 20. Jhdt nachfrabrizieren ist historisch irrelevant, da eben nicht historisch. das Charles VI gehört zur Visconti Sforza gruppe. Du verzeihst mir daher, dass ich Deine sichtweise in diesem punkt nicht übernehme.


Zitat von: "Mc Claudia"
Also ich möchte mit aller Bescheidenheit nochmals auf die Native-American-Künstlerin hinweisen, (...)  Natürlich hat der Kaiser von China einen anderen Status als der Pfalzgraf von Unterstinkenbrunn oder der Häuptling der Cree. Die Symbolik der politischen Respektsperson bleibt aber erhalten. (...) Der Papst ist halt dann kein Papst mehr sondern ein Schamane, Priester, Druide, Gode, was weiß ich, je nach Kultur halt. Jede Kultur hat Leute, die mit Geistern quatschen und als geistliche Autoritäten gelten. Den Turm, den ich immer als Zerstörung und Machtverlust deute, ist auch umsetzbar. Überall gibt’s auch mal Zerstörung. Usw.

natürich geht das, dass man das einfach so hinbiegt, dass es irgednwas anderem im neuen kulturkreis entspricht. und as kann ja auch was nettes sein, keine frage. ob es dann noch Tarot ist, mag eine semantische haarspalterei darstellen, nur was mir glaube ich wichtiger ist al Dir: der kulturelle symbolismus wird eben nicht dadurch eingefangemn, dass man sich statt des Papstes einen x-beliebigen menschen mit prieseterfunktion sucht. da ist so viel mehr drinnen. und das geht alles verloren, weil im übersetzen einfach die grundbedeutungen aufgeweicht werden. fortsetzung folgt.
Titel: Re: Tarot, Kelten, Frust und Lust
Beitrag von: Giles am Oktober 26, 2010, 10:42:41
fortsetzung:
Sorry zunächst für die orthographie oben, die zeilendarstellung wirde bei längeren posts hier manchmal etwas sprunghaft.

weiter: es ist nicht jede kombination aus 78 bildern auch gleich ein tarot - ein orakle aber schon. und gerade darin, den Kaiser mit IRGEND einer autortät gleichzusetzen sehe ich keinerlei plus: andere kulturen haben ihre orakel, die brauchen unser tarot nicht. und das was gemacht wird, das ist sowas von zusammengekleistert. natürlich kann man sagen, da geb ich dem halt eine axt statt einem schwert in die hand. das bedeutet aber in beiden kulturen jeweils schlicht was anderes. und daran scheitert es.

es ist immens viel positives in einem unbefangenen, unvoreingenommenen zugang, von mir aus sollen tarot interpretationen gemacht werden in jeder beliebigen kultur. nur möge man nicht erwarten, dadurch entweder Tarot oder die andere kultur zu verstehen. das wäre so, wie wenn man Winnetou liest und anschliessend einen vortrag über das edle volk der apachen hält.

in summa: ich würde es begrüßen, wenn man zuerst sich die geschichte des tarot, seine bedeutung und seinen wirklich immensen bildreichtum anschaut. die geschichte in bildern, die bei einer Päpstin beginnt und über die jahrhunderte zu einer Hohepriesterin erblüht, vom schwachen Papstmädel zu einer glanzgestalt empor steigt, die den papst vollkommen in den schatten stellt, das ist echt spannend und wundertoll genug für mich.
Titel: Re: Tarot, Kelten, Frust und Lust
Beitrag von: Mc Claudia am Oktober 26, 2010, 11:03:17
Hi Giles,

Du widersprichst Dich gerade selbst. Du findest es selbst spannend, wie sich das Tarot ENTWICKELT hat. Daraus lese ich, dass es wahrscheinlich gar keine monolithischen, ewiggültigen Grundbedeutungen gibt? Oder gibts aus dem 15. Jhdt. zu den ersten Tarots irgendein Handbuch mit Bedeutungserklärungen, die für Tarot-Profis sakrosankt sind? Oder hat der Golden Dawn Orden die Deutungshoheit? Oder Crowley?

Wenn ja, wenn es so ein Buch aus dem 15. Jhdt. gibt, das die Bibel aller Tarot-Leger/innen sein muss, dann nehm ich alles zurück und will das Buch sofort haben.  :D

Wenn nein, so ist es IMMER Bilderinterpretation! Das Faktum, dass man die Entstehung der Bedeutungen und Bilder kennt und den Kulturkreis kennt, impliziert nicht zwingend, dass es

a) keine Entwicklung gibt (das findest Du ja selbst toll)

und b) nicht auf andere Kulturen übertragbar ist.

Nebenbei bemerkt hat sich das Tarot ja erst im 20. Jhdt. im Zuge der Globalisierung interkulturell vervielfältigt. Es ist also auch eine Form von Entwicklung, wenn eine Native American aus Liebe zum Tarot ein ihrer angestammten Kultur entsprechendes Tarot macht.

Natürlich hat die Päpstin einen anderen kulturellen Hintergrund als eine Schamanin aus dem Altai. Damit hat sie als Symbolbild auch anders vielfältige Interpretationsmöglichkeiten als die Schamanin. Aber angenommen, ich würd jetzt mit einem fiktiven Altai-Tarot legen und da käme dann „die Schamanin“ drin vor, würd ich die Karte in der Legung nicht anders deuten als die Päpstin in einem ollen Tarot aus dem 15. Jhdt. (Ich deute sie meist mit „Konfrontation mit tiefer Weisheit bzw. einer Person, die diese besitzt.“)

Ich sehe also das Übertragbarkeitsproblem nicht wirklich.

liebe Grüße

Mc Claudia
Titel: Re: Tarot, Kelten, Frust und Lust
Beitrag von: Mc Claudia am Oktober 26, 2010, 11:05:45
P.S.: Danke für den Buchtipp.

Ich frage mich nur grad, wo bei Dir die Grenze ist zwischen "kreativer künstlerischer Interpretation" des Tarots und "das ist kein Tarot" (wie z.B. das Sola Busca-Tarot)?
Titel: Re: Tarot, Kelten, Frust und Lust
Beitrag von: morgane am Oktober 26, 2010, 11:14:03
Zitat von: "Giles"
die geschichte in bildern, die bei einer Päpstin beginnt und über die jahrhunderte zu einer Hohepriesterin erblüht, vom schwachen Papstmädel zu einer glanzgestalt empor steigt, die den papst vollkommen in den schatten stellt, das ist echt spannend und wundertoll genug für mich.

Hi giles!
Ich habe das buch nicht gelesen, aber bei mir spießt sich das mit der hohepriesterin. Eine päpstin oder ein papst ist doch eigentlich etwas ganz anderes als die hohepriesterin, zumindest in meiner auffassung dieser karte.

Ein papst repräsentiert die tradierte lehrmeinung, auch die macht der organisation. Er entspräche in etwa vielleicht eher dem *hohepriester*. Die *hohepriesterin* hingegen ist eine gestalt des inneren wissens, der intuitiven kraft, der verborgenen seite  (*isis unveiled*) der realität - die andere seite der *kaiserin* (die sichtbare natur oder *verschleierte isis*). So zumindest habe ich das zu deuten gelernt. Wie siehst du das?

lg morgane
Titel: Re: Tarot, Kelten, Frust und Lust
Beitrag von: barbara am Oktober 26, 2010, 11:22:16
Hallo Giles

Zitat
der kulturelle symbolismus wird eben nicht dadurch eingefangemn, dass man sich statt des Papstes einen x-beliebigen menschen mit prieseterfunktion sucht. da ist so viel mehr drinnen. und das geht alles verloren, weil im übersetzen einfach die grundbedeutungen aufgeweicht werden.

Es geht sicher vieles verloren, aber wenn ein native-american oder modernes-Sydney-Tarot (oder was da alles denk- und machbar ist) neu gestaltet wird, kommt auch vieles Neue hinzu, was dann zu dieser Kultur gehört. Und warum sollte das auch nicht Winnetou und das edle Volk der Apachen sein? Solange klar ist, dass sich das nicht auf historische, sondern literarische Realitäten bezieht, sehe ich damit nicht das geringste Problem.

Wo ich dir recht gebe: in neu gestalteten Tarots mag oft die Tiefe fehlen, die die traditionellen Versionen haben. Wenn viele tausend Menschen über viele Jahre oder Jahrhunderte mit diesen Symbolen arbeiten, so wird das extrem vielschichtig - während etwas Neues Gefahr läuft, flach und banal zu werden. Was so sein kann und oft so sein wird, aber wohl nicht unbedingt so sein muss.

Zitat
und gerade darin, den Kaiser mit IRGEND einer autortät gleichzusetzen sehe ich keinerlei plus: andere kulturen haben ihre orakel, die brauchen unser tarot nicht.

Warum sollte das "brauchen" das Kriterium sein? "brauchen" tut ein Mensch fast gar nichts - allerdings gibt es sehr viele Dinge, die trotzdem höchst interessant sind, obwohl sie nicht eine Notwendigkeit sind. Auch wenn es nicht gebraucht wird, so kann es trotzdem interessant und bereichernd sein, ein exotisches Tarot zu zeichnen oder zu benutzen. Sogar dann, wenn das Resultat nicht in jeder Hinsicht überzeugt.

Ausserdem ist es heute schon fast normal, dass die meisten Menschen Eltern oder Grosseltern aus verschiedensten Kulturen haben, oft sogar Eltern, die von verschiedenen Kontinenten stammen - oder Kinder, deren Eltern Ausländer in einem fremden Land sind - und wo folglich Menschen durch ihre Situation logischerweise zwei Kulturen, oft ganz verschiedene Kulturen, als Erbe erhalten und etwas Sinnvolles damit anstellen müssen. für viele ist das ja alles andere als einfach. Und da ist es naheliegend und wohl manchmal tatsächlich ein "brauchen", wenn Elemente beider Kulturen zu einem neuen Ganzen zusammengefügt werden - eine lebendige Entwicklung, alte Zöpfe werden abgeschnitten, aber neue Zöpfe werden auch geflochten.

grüsse, barbara

PS: ich selbst arbeite meist mit Rider-Waite, manchmal mit Crowley. Wenn es vorkommt, dass ich aus einer Legung nicht schlau werde, nehme ich oft die Karte des andern Sets dazu - wenn ich den Wagen in Rider Waite habe, lege ich den Wagen von Crowley daneben, es ist dieselbe Karte, bringt aber ganz neue Perspektiven hinein.

grüsse, barbara
Titel: Re: Tarot, Kelten, Frust und Lust
Beitrag von: Giles am Oktober 26, 2010, 12:47:06
@Claudia: die "bibel" wäre das Pratesi blatt. Tarot als kartenspiel ist aber wesentlich länger dokumentierbar als das legen der tarot-karten. eine kanonisierte interpretationsweise lehne ich ab. das meiste was in den büchern steht, ist mist, zu 99% unreflektiert von Waite abgeschrieben. und der hatte eine recht tendenziöse sichtweise. gerade weil das tarot eine so tiefgründige sprache spricht, brauchen wir keine interpretationshilfen.

zum tarot in heutiger form: tarot sind 22 plus 56 karten mit bestimmten bezeichnungen. punkt. wenn wer gerne 138 oder 616 karten nehmen mag, dan sei ihm das unbenommen. gerne soll es auch tarot-ähnlich heissen. aber tarot ist es keines.

zur entwicklung und widerspruch: ich habe nichts gegen native american tarot, auch nichts gegen winnetou tarot, wenns das jemals gibt. ich bin nur skeptisch, etwas zu bearbeiten, was man an sich noch nicht verstanden hat.


@morgane: genau darin liegt ja das spannende, dass eben die HPS was anderes ist als die Päpstin und dennoch von ihr stammt. das mag Dich überraschen, aber so ist es halt.

@barbara: so wie Du das spannungsverhältnis zwischen kreativität und tiefe beschreibst, kann ich Dir nur vollkommen zustimmen. zu kulturellen differenzen: es geht nicht darum, woher die grosseltern stammen, sondern nach meiner erfahrung ausschließlich darum, wo wer aufwuchs. ein in paris aufgewachsener japaner tut sich mit tarot 10mal leichter als ein franzose aus shanghai.
Titel: Re: Tarot, Kelten, Frust und Lust
Beitrag von: Mc Claudia am Oktober 26, 2010, 17:36:36
Hi,

@Morgane:

Gebe Dir Recht, darauf wollte ich auch hinaus. Die Päpstin im Tarot (m.W. entstand die Figur ja vom Mythos der Päpstin Johanna – ich lass jetzt mal offen, obs die gegeben hat oder nicht, das ist fürs Symbol auch nicht so wichtig) wäre eine ziemlich subversive Sache. Zum „Geheimwissen“ oder zur „religiösen Autorität“ die sie viell. symbolisiert käme ein Quäntchen Rebellion dazu. *gg* Die spätere Hohepriesterin hebt sich (wie auch der Hohepriester) voll von der kath. Kirche ab. Beide sind, was die europäische Realität betrifft, ein Phantasieprodukt an Figuren, die eher in einen magischen Orden passen als in die reale Welt von Otto Normalbürger. Das meinte ich auch, dass sich ja schon innerhalb unserer Kultur das Tarot gewandelt hat, Bedeutungsverschiebungen gegeben hat, Symbolwandel stattgefunden hat. Weshalb ich es jetzt auch nicht so tragisch sehe, wenn das Symbolsystem Tarot mit anderen Kulturen kombiniert wird.

@Barbara:

Gebe Dir Recht, auch wenn Winnetou wohl eher ein Kunstprodukt ist. ;)

Zitat von: "Giles"
@Claudia: die "bibel" wäre das Pratesi blatt. Tarot als kartenspiel ist aber wesentlich länger dokumentierbar als das legen der tarot-karten.

Bitte um nähere Erläuterungen zu Pratesi. Ist das ein Deck oder ein Buch? Oder beides? Und kann man das käuflich erwerben?

Das zweite ist mir bekannt.

Zitat von: "Giles"
eine kanonisierte interpretationsweise lehne ich ab. das meiste was in den büchern steht, ist mist, zu 99% unreflektiert von Waite abgeschrieben. und der hatte eine recht tendenziöse sichtweise. gerade weil das tarot eine so tiefgründige sprache spricht, brauchen wir keine interpretationshilfen.

Naja, „keine“ würd ich auch nicht sagen. Wenn man zu legen beginnt, ist man über gscheite Leute oder Bücher recht froh. Das Interpretieren kommt ja dann mit der Übung und dem Reinwachsen in die Materie. Ansonsten geb ich Dir Recht. Nur – das Tiefgründige am Tarot geht eben m.E. nicht verloren, wenn da andere Bildchen und / oder abweichende Beschreibungen drauf stehen, solange der rote Faden „Tarot“ erhalten bleibt. Für mich ist das Interpretation. So wie es eine Bibel gibt und 100.000 Interpretationen dazu. Welche Tiefe und Symbolkraft ist denn jetzt die Richtige? Die Päpstin oder die Hohepriesterin? Die Liebenden als Entscheidung oder als Liebespaar? Die Welt in der Manorla oder die Welt als Frau in den Wolken über einer Erdscheibe? Der schiache Perchtenteufel oder fesche verführerische Jüngling? Der Siegeswagen mit Mann aus dem Rider-Tarot oder der Kultwagen mit Frau aus dem Cary-Yale Tarot? Der Papst oder der Hohepriester? Bube oder Page? Weißt, ich glaube, je mehr ich drüber nachdenk, desto eher komm ich zu dem Schluss, dass jedes Deck für sich schon eine Tiefe entwickelt (oder auch nicht). Dass es also eine Tiefe außerhalb eines bestimmten Decks vielleicht gar nicht gibt? Die Karten leben ja durch die künstlerische Gestaltung. Deswegen gibt’s ja auch so viele Tarots, weil es geradezu zu Kreativität und Nachdenken/forschen animiert.

Zitat von: "Giles"
zum tarot in heutiger form: tarot sind 22 plus 56 karten mit bestimmten bezeichnungen. punkt. wenn wer gerne 138 oder 616 karten nehmen mag, dan sei ihm das unbenommen. gerne soll es auch tarot-ähnlich heissen. aber tarot ist es keines.

OK, wäre für Dich das Cary Yale Tarot ein Tarot (bzw. eine Vorform) oder nur ein Tarot-ähnliches Kartenspielt? Da gibt’s als Abweichung die 6 Hofkarten und drei Allegorien: Glaube, Hoffnung, Liebe. Einige Karten fehlen leider.  Und was wäre jetzt mit Tarots, die statt Bube und Ritter Prinz und Prinzessin haben. Was wäre, wenn die vier Farben leicht abgewandelt sind (z.B. statt Münzen Steine oder Schilde, statt Schwerter – Tomahawks, etc.). Was wäre wenn einzelne oder alle Karten der großen Arkana abweichende Bezeichnungen hätten? Wie groß ist Deine Toleranz? Ist ein Tarot noch ein Tarot, wenn beim Rad des Schicksals z.B. „Lebensrad“ oder „Rad des Karma“ steht? Oder wenn statt dem Magier als Figur eine Magierin dargestellt wäre (mit denselben Attributen)?

Also ich persönlich seh das so: Das Mantegna „Tarot“ ist sicher keines, da geb ich Dir Recht. Das weicht vollkommen ab. Beim Sola Busca würde ich zumindest von einem halben Tarot sprechen (wegen der kleinen Arkana – die ja auch fürs Rider-Waite-Tarot teilweise Pate gestanden haben). Aber bei anderen Tarots, wo der rote Faden eindeutig erkennbar ist, würde ich in jedem Fall von Tarot sprechen.

Zitat von: "Giles"
zur entwicklung und widerspruch: ich habe nichts gegen native american tarot, auch nichts gegen winnetou tarot, wenns das jemals gibt. ich bin nur skeptisch, etwas zu bearbeiten, was man an sich noch nicht verstanden hat.

Naja, das erkennt man ja dann eh an der künstlerischen Gestaltung, ob sich dabei was gedacht wurde oder nicht. Und da es d.E. ja auch nicht so toll ist, nach vorgegebenen Interpretationen zu arbeiten, wird letztlich sowieso jede Interpretation vom individuellen Verständnis geprägt.


@alle:

Was ich an den kulturellen Tarots irgendwie witzig finde: Einige sind von Indigenas selbst gestaltet. Das nenn ich einfach Globalisierung. Wir Westler gucken nach Ost, West und Süd, um unsere Spiritualität zu bereichern, und die Chinesen werden katholisch, und andere malen sich einfach ihre eigenen Tarots. Ich finde diesen kulturell-spirituellen Austausch einfach nur spannend und – eigentlich positiv.

liebe Grüße

Mc Claudia
Titel: Re: Tarot, Kelten, Frust und Lust
Beitrag von: Giles am Oktober 26, 2010, 21:07:52
Zitat von: "Mc Claudia"
Bitte um nähere Erläuterungen zu Pratesi. Ist das ein Deck oder ein Buch? Oder beides? Und kann man das käuflich erwerben?

Franco Pratesi fand anfang 18. Jhdt. in der Bibliothek von Bologna ein anonymes Blatt auf, es enthält zu einigen Karten ganz frühe Interpretationen: “Engel“ (= Gericht), Welt, Sonne, Mond, Stern, Teufel, Tod, Verräter (=Gehängter), Alter Mann (=Eremit), Stärke, Ausgleich, Wagen, Liebe, „Bagattino“ (=Magier), Narr; Zehn und As der Schwerter, Hofkarten und As der Stäbe, sowie Hofkarten, Zehn und As der Kelche und Münzen. Wie alt das Blatt selbst ist, ist mW unbekannt.

Zitat von: "Mc Claudia"
OK, wäre für Dich das Cary Yale Tarot ein Tarot (bzw. eine Vorform) oder nur ein Tarot-ähnliches Kartenspielt?
ähnlich
Zitat von: "Mc Claudia"
Und was wäre jetzt mit Tarots, die statt Bube und Ritter Prinz und Prinzessin haben.

Tarot
Zitat von: "Mc Claudia"
Was wäre, wenn die vier Farben leicht abgewandelt sind (z.B. statt Münzen Steine oder Schilde, statt Schwerter – Tomahawks, etc.).
immer noch Tarot
Zitat von: "Mc Claudia"
Was wäre wenn einzelne oder alle Karten der großen Arkana abweichende Bezeichnungen hätten?
ist völlig egal, weil die aufschriften eigentlich nur orientierungshilfen sein sollen, die später hinzugefügt wurden
Titel: Re: Tarot, Kelten, Frust und Lust
Beitrag von: barbara am Oktober 26, 2010, 21:17:41
Zitat von: "Mc Claudia"
Gebe Dir Recht, auch wenn Winnetou wohl eher ein Kunstprodukt ist. ;)

ja eben - eine literarische Realität, nicht eine historische.

Doch auch literarische und filmische Realitäten können ja Kulturen sehr stark prägen. Muss nicht Winnetou sein, der doch noch eine gewisse Verankerung in der Realität hat (echte Namen, echte Orte, Old Shatterhand als angeblich echter Indianername von Karl May...), sondern auch total Fiktives wie Star Trek oder Herr der Ringe oder Harry Potter. Ron Weasley als Bube der Kelche und Mami Weasley als Königin der Münzen und Dumbledore als Eremit und Hagrid als "die Kraft" kann ich mir sehr gut vorstellen.

... und tatsächlich, ein Harry Potter Deck ist am Entstehen: :D
http://www.nasubionna.net/tarot/ (http://www.nasubionna.net/tarot/)

grüsse, barbara
Titel: Re: Tarot, Kelten, Frust und Lust
Beitrag von: Giles am Oktober 26, 2010, 21:23:48
Zitat von: "Mc Claudia"
Oder wenn statt dem Magier als Figur eine Magierin dargestellt wäre (mit denselben Attributen)?
an sich auch Tarot. Wieso soll eine frau nicht magier sein ? es steht allerdings zu wünschen, dass der schöpfer solchen Tarots auch vif genug ist, zu erkennen, dass dann unter kabbalistischen gesichtspunkten die HPS ein HP werden müsste, was wieder beim HP seine probleme schafft. das ist ein derartig ausgefinkeltes system, das man halt einmal begreifen muss. und obwohl ich mich seit fast 25 jahren damit beschäftige und teilweise sicher mehr "weiss" als die meisten die selber darüber schreiben (wenn ich sie am geschriebenen messen darf und soll) bin ich mir bewusst, nur etwas mehr getan zu haben als in die ersten zwei, manchmal drei schichten einzutauchen. deshalb bin ich skeptisch, allzu unbekümmert neuerungen einzuführen. aus respekt, aus hochachtung, aus dankbarkeit. genau aus den selben gründen bin ich aber auch gegen jede form von versteinerung. ich möchte nur ausreichend sachverstand und feingefühl dabei haben.

Zitat von: "Mc Claudia"
Beim Sola Busca würde ich zumindest von einem halben Tarot sprechen (wegen der kleinen Arkana – die ja auch fürs Rider-Waite-Tarot teilweise Pate gestanden haben).


es hat komplett andere große arkana. wenn Du nach den kleinen gehst, dann tun es ergänzte rummy karten auch. das besondere  am tarot sind ja gerade die großen arkana. und die paar karten die Waite verwendet hat, noch dazu tw. verdreht (10 schweter versus stäbe), das ist nicht sooo beeindruckend.

zur HPS / Päpstin kommt gesondert was.
Titel: Re: Tarot, Kelten, Frust und Lust
Beitrag von: Giles am Oktober 26, 2010, 21:29:30
copyright by Giles aus "78 Fenster zur Welt"
(vielleicht verkaufe ich mein buch ja einmal ;)

Die Hohepriesterin; Päpstin, Papessa, Hierophantin

For, as the God Himself kissed Her feet in the five-fold salute,
laying His power at the feet of the Goddess
because of Her youth and beauty, Her sweetness and kindness,
Her wisdom and justice, Her humility and generosity
(Wiccan Law No. 14, as published by Janet Farrar)

Eine beliebte Legende des Mittelalters handelt von einer Frau namens Johanna die, als Mann verkleidet und unter dem Namen Johannes Angelicas, zu den höchsten Kirchenämtern empor steigt, schließlich sogar zum Papst, nämlich Johannes VIII. (854-856) gewählt wird. Sie wird als Papst schwanger und stirbt während der Geburt nahe dem Kolosseum. Historisch ist das nicht zu belegen1. Wo diese „Päpstin“, der Legende folgend, bildlich dargestellt wurde, fehlte niemals ihr Kind2 – sie ist daher kaum die Päpstin des Tarot.

Nachgewiesen und gut dokumentiert ist weiters, dass Ende des 13. Jahrhunderts eine oberitalienische Sekte eine „Päpstin“ wählte, und zwar eine gewisse Schwester Manfreda, bei der es sich um eine Verwandte der Familie Visconti handelte. Dieselbe Familie Visconti gab später das erste nachweisbare Tarot-Kartendeck in Auftrag, es darf daher angenommen werden, dass ein gewisser Zusammenhang besteht.3

Diese Darstellung der „Päpstin“ wurde jahrhundertelang von der Kirche unterdrückt oder verzerrt (so wird die „Hure Babylon“ aus der Apokalypse des Johannes in der illustrierten Lutherbibel, Wittenberg, 1534, mit päpstlicher Tiara dargestellt), nicht weil die Erinnerung an Frau Visconti so gefährlich gewesen wäre, sondern weil darin ein weibliches Konzept der Spiritualität zum Ausdruck kommt, das mit dem der (katholischen) Amtskirche recht wenig gemein hat, ja einfach nicht vorkommt. Gehörten in der Antike Frauen selbstverständlich zur Priesterschaft, waren bestimmte Ämter Frauen explizit vorbehalten, so hat das Christentum seine frühen weiblichen Heiligen (die sehr präsenten Marias etc.) in seiner weiteren Geschichte ganz gut aus der offiziellen Theologie, wenn auch nicht dem Alltag der Kirchen verdrängt, die Frau an sich auf ein so hohes Podest gestellt, dass sie schließlich unerreichbar war und weibliche Spiritualität als reine asketische Veranstaltung hinter Klostermauern unter Ausschluß der Öffentlichkeit definiert, weibliches Priestertum bis heute zur Gänze verboten. Ihr Archetypus wurde daher primär in Märchen in der Gestalt der „guten Fee“ bewahrt4.

Dem gegenüber steht das eigentlich überraschend starke Engagement von Frauen in der Kirche einerseits - man denke, wenn auch vielleicht milde lächelnd, an das vertraute Bild frömmelnder älterer Damen, die sich um den Pfarrer scharen. Doch selbst im 15. Jhdt., wurden Venus und Isis durchaus intensiver dargestellt, als in jener Zeit ungefährlich gewesen wäre, etwa in der Geschichte des Jacopo von Bergamo (1483) oder der „Hyperotomachia Poliphili“ des Leon Battista Alberti (1499)5. Darin zeigt sich ein Bedarf, eine Sehnsucht.

Andererseits erschuf dieses Engagement der weiblichen Laien a la longue auch eine eigene, weiblich geprägte Transzendenz (wieder), zunächst in der Renaissance, dann etwa durch die Prä-Raphaeliten, letztlich im Neuheidentum. Einen Übergang zeigt die Rider/Waite Darstellung der Päpstin als Hohepriesterin und zwar nicht von irgendwo, sondern gleich des Tempels von Jerusalem selbst, wie am „B“ und „J“ an den Säulen oder dem Vorhang dazwischen erkenntlich ist. Auf ihm, vielleicht ist es der Vorhang, der bei der Kreuzigung Jesu zerreißt, sind die Sephiroth abgebildet.
Bei Wirth steht ihr Thron zusätzlich auf musivischem Pflaster, das auch Element eines Tempels ist.
Die Hohepriesterin sitzt, jedenfalls seit dem Rider/Waite, zwischen den Säulen und bildet so die dritte Säule in der Kabbalah, den mittleren Weg von Malkuth über Yesod zu Tiphareth und darüber hinaus. Sie ist der Mittelweg6, die Balance, der Ausgleich, zwischen schwarz und weiß, Yin und Yang.

Ihr Priestertum bezieht sich auch nicht auf einen männlichen Gott, sondern eine Göttin, wie durch die (als drei Mondphasen erkennbare) Hathor-Krone im Rider/Waite symbolisiert wird, in vielen anderen Interpretationen durch wiederholte Darstellung des Mondes, tw. auf modischen Abwegen sogar an den Schuhen. Im Rider/Waite befindet sich zu ihren Füßen ein aufgehender Halbmond, ein Symbol das aus der Antike stammt und vom christlichen Marienkult übernommen wurde. So steht z.B. auch die Madonna in Heiligenblut (Österreich) auf einer Mondsichel. Die Darstellung der Hohepriesterin  ist oft stark an der verschleierten Isis angelehnt -  sogar „die Päpstin“ war zum Teil verschleiert, O´Neill7 geht so weit, die Hohepriesterin überhaupt rein als Darstellung der Isis anzusehen. Wieder ab Waite befindet sich zwischen den Säulen oft ein Schleier, darauf Granatäpfel was sie wieder in die Nähe der antiken Legende von Demeter und Persephone rückt. Der Schleier wird auch als derjenige gedeutet, der bei der Kreuzigung Christi zerriss.

Die Hohepriesterin trägt meist einen Mantel, der entweder in Rot (z.B.: Wirth-Tarot) oder Blau8 gehalten ist. Diese Zweiteilung stammt  vielleicht aus der traditionellen christlichen Darstellung der Gottesmutter Maria mit blauem oder purpurnem Mantel9. In der Farbe Rot wird ihr Amt als Hohepriesterin weiblicher, Leben spendender Mysterien betont; im Blau liegt ein Hinweis, dass sie nicht an einen Mann, sondern nur an ihre Göttin gebunden ist. Ebenso kann das Blau als Referenz zur See und damit zum Mond gedeutet werden. Der Nachthimmel hingegen ist der Kaiserin vorbehalten.

Bei Waite hält sie das Buch des Wissens, was an sich nicht so stimmig ist, weil gerade weibliche Esoterik keine Buchtheologie ist und die Buchreligionen es sind, die die Rolle der Frau im Priestertum abschneiden. Die Hohepriesterin ist gelebte Spiritualität, nicht geschriebene. Das Buch ist mit „Tora“ beschriftet, was immerhin auch als Anagramm zu Taro(t) gelesen werden kann (vgl. dazu näher bei „Das Rad des Schicksals“) und damit einen jedenfalls weit gefaßten Weisheitsbegriff andeutet – Wirth geht weiter und läßt das Buch ohne Titel, nur geschmückt durch das Symbol von Yin/Yang.
In neueren Darstellungen treffen wir die (oft neo-heidnisch dargestellte) Hohepriesterin ganz ohne Bezug zu einer Buchreligion, dafür mit einer Fülle von Anspielungen auf bzw. Darstellungen von Ritualen und sonstigen Interna von Asatru, Wicca und dergleichen, etwa im Pagan Tarot von Lo Scarabeo. Die Idee der Päpstin eines nur männlichen Gottes wurde so im nächsten Schritt zur Priesterin einer Göttin und dann, als Synthese, Hohepriesterin eines Gottesbildes, das beide Geschlechter umfaßt, umgedeutet.
Insofern hat auch die kabbalistische Zuordnung „Gimel“ (= Kamel) ihre Berechtigung: Das Kamel trägt von einer Oase (Tiphareth) durch die Wüste (Daath) zum Ziel (Kether) und es braucht die Tugenden und Eigenschaften der Hohepriesterin, wovon Beständigkeit eine der vornehmsten ist, um an der Wildnis nicht zu verzweifeln, sondern schlußendlich an das Ziel zu gelangen.

Auf diese Art ist die Päpstin als Hohepriesterin zunächst über den Papst und dann sogar sich selbst hinaus gewachsen.
Titel: Re: Tarot, Kelten, Frust und Lust
Beitrag von: Mc Claudia am Oktober 26, 2010, 22:03:56
Hi Giles,

wow. Vielen Dank für die ausführlichen Ausführungen und Antworten.  :)

Die 25 Jahre seit meinem ersten (selbstgebastelten!) Tarot bring ich zwar auch auf (mei mia wean oid...), hab mich aber wahrscheinlich nicht soooooooo intensiv damit beschäftigt wie Du (mir sind blöderweise die Kelten dazwischengekommen  :D  ).

OK, blöde Frage:

Du redest immer davon, dass da sooooooooo viel Symbolik, Tiefsinn, Geheimnis etc. drin ist, dass man sich da urgut, bestens auskennen soll, um nur annähernd was zu kapieren. äh. Was genau? Ist es die Kabbalah? Und wenn ja, seit wann wird sie als Symbolsystem mit dem Tarot in Verbindung gebracht? Denn das Tarot allein kanns ja nicht sein. Lernt sich jedenfalls schneller als Quantentheorie oder Altirisch.  :goofy: Also, konkret: waren die ersten Kartenerfinder/innen und Künstler/innen auch Kabbalisten und haben da die Symbolik reingetan, oder kam das erst mit dem 18./19. Jhdt. und den magischen Orden?

Und ja, bring gefälligst Dein Buch raus, dann muss ich nimmer so blöd fragen!  :D

Liebe Grüße

Mc Claudia
Titel: Re: Tarot, Kelten, Frust und Lust
Beitrag von: morgane am Oktober 26, 2010, 23:13:10
Letzten endes *stimmt* jede symbolik, wenn man damit im einklang ist und sich auf sie einlässt. Ob päpstin oder schamanin, auch, wenn zweiteres nicht der ursprünglichen bedeutung entsprechen mag, ist dann nicht so wichtig. Man zieht eine karte, und die hat eine bestimmte bedeutung, die man ihr selbst verleiht, mit oder ohne anleitung. Diese bedeutung hat die karte dann immer. Nach längerem gebrauch wird man freier in der deutung, ohne die kernaussage aus den augen zu verlieren. Auch das eigene, bevorzugte tarot wandelt sich so im laufe der zeit bis zu einem gewissen grad.Es wächst mit unserem wachstum. Deshalb bevorzuge ich es, bei einem deck zu bleiben - so wie ich auch lieber bei einem mann bleibe :goofy:  :umarmen:

Insofern dürfte es also doch ziemlich egal sein, welchem man den vorzug gibt, traditionell oder modifiziert. Hauptsache, man kann gut damit....

lg morgane
Titel: Re: Tarot, Kelten, Frust und Lust
Beitrag von: dagaz am Oktober 27, 2010, 02:18:20
Zitat von: "Giles"
Insofern hat auch die kabbalistische Zuordnung „Gimel“ (= Kamel) ihre Berechtigung:

gimel wird seit neuerem als "treibstock" übersetzt (mit dem man schafe etc. in die gewünschte richtung gescheucht hat).
Titel: Re: Tarot, Kelten, Frust und Lust
Beitrag von: Ritter vom Schach am Oktober 27, 2010, 06:49:52
Hallo Giles,

Zitat von: "Giles"
copyright by Giles aus "78 Fenster zur Welt"
(vielleicht verkaufe ich mein buch ja einmal ;)

wenn du es nicht verkaufen willst, kannst du es ja verschenken... ;)

Alles Liebe und *rotwuselwink*,
Alexander
Titel: Re: Tarot, Kelten, Frust und Lust
Beitrag von: barbara am Oktober 27, 2010, 09:44:59
Zitat von: "Mc Claudia"
Denn das Tarot allein kanns ja nicht sein. Lernt sich jedenfalls schneller als Quantentheorie oder Altirisch.

Kommt wohl darauf an, welche Ansprüche an Qualität herrschen. So ein paar Grundbedeutungen und ein, zwei Legesysteme lernen sich durchaus genau so schnell, wie auf Altirisch zu fragen "bitte, wo geht der Weg zur nächsten Quelle?". Wenn's dann aber darum gehen sollte, wirklich in die Tiefe zu gehen, dürften sowohl Altirisch wie Tarot beides Lebensaufgaben darstellen - weil es sich bei Sprachen wie beim Tarot um Symbolsysteme handelt, und Symbole haben es an sich, dass immer ein unerklärlicher, unerklärter Rest bleibt, egal wie viel man sich damit beschäftigt. Wohingegen Quantenphysik, wie mir versichert wurde, mathematisch gar nicht so schwer sei, und wenn man die mal kann, dann kann man sie und ist abgeschlossen.

grüsse, barbara
Titel: Re: Tarot, Kelten, Frust und Lust
Beitrag von: Crysalgira am Oktober 27, 2010, 10:08:42
Zitat von: "SiRacor"
Hallo Giles,

Zitat von: "Giles"
copyright by Giles aus "78 Fenster zur Welt"
(vielleicht verkaufe ich mein buch ja einmal ;)

wenn du es nicht verkaufen willst, kannst du es ja verschenken... ;)

Alles Liebe und *rotwuselwink*,
Alexander

Egal wie, ob verkauft oder verschenkt, der Mann sollte es unters Volk bringen!!!

Ich muss sagen, ich habe es sehr genossen, dass ich ein wenig Korrektur(stöbern  :D )lesen durfte ....

Crysalgira
Titel: Re: Tarot, Kelten, Frust und Lust
Beitrag von: morgane am Oktober 27, 2010, 10:33:09
Ich würde es auch lesen wollen.....

lg morgane
Titel: Re: Tarot, Kelten, Frust und Lust
Beitrag von: Giles am Oktober 27, 2010, 11:19:57
@McClaudia, Crysalgira und Wusel:@ McClaudia:
danke Euch ! am freitag sehe ich den verleger, vielleicht spricht er mich drauf an. ich müsste eh alles in der tiefe überarbeiten - huibuuh ...

@Dagaz
aha, das wusste ich nicht. wird aber für die christliche Kabbalah (und von der sprechen wir hier - ich will nicht ausprobieren, was ein Rabbi mit mir macht, wenn ich ihn auf Tarot anspreche ...) nicht so bedeutsam sein - oder ? ist aber auch interessant so allgemein. ich wusste nicht, dass Du in kabbalah auch unterwegs bist - exzellent ! habe da unlängst was interessantes besucht, wir plaudern bei gelegenheit...

@Morgane
ich glaube, wir haben zT ähnliche erfahrungen. das was Du asl wachsen beschreibst erinnert mich an eine erklärung die ich im sommer erhielt. als ich begann, sie zu verstehen, dachte ich: meiner seel, ich hab die karten ja eigentlich überhaupt gar nicht verstanden. wie seicht ich bin ! und dann, ein paar wochen später, hab ich mir die zeit genommmen und geschaut. irre.
Titel: Re: Tarot, Kelten, Frust und Lust
Beitrag von: morgane am Oktober 27, 2010, 11:33:45
Hi Giles!
Ich denke nicht, dass du *seicht* unterwegs warst. Manche symbole entfalten ihre vielschichtige bedeutung im laufe der lebensjahre, der erfahrungen, die man macht, der assoziationen, die man dazu gewinnt. Es ist vielleicht vergleichbar einem apfelmännchen. Die grundform ist im großen da, es entfaltet sich aber immer wieder neu und deutlicher, je genauer man es betrachtet.

lg morgane
Titel: Re: Tarot, Kelten, Frust und Lust
Beitrag von: AnufaEllhorn am Oktober 29, 2010, 15:30:17
Well met, alle zusammen ;)

Giles, ich wünsch Dir "gut publizier"!!! :thumbsup:  :thumbsup:  :thumbsup:  Es gibt imho viel zu wenige Bücher übers Tarot, wo mensch mal deutlich sehen kann, wo´s herkommt, wie´s zu den Symbolen kam und wozu es gut sein soll/kann ;)

Ich möcht nur kurz (bin wie immer im Freitags-UpdateStress) ein paar Worte verlieren zu "letztendes Stimmt jede Symbolik". Morgane, im Prinzip "Orakel" gebe ich Dir da völlig Recht, weil da imho jeder Anwender SEINE Symbole REINLIEST. Beim Tarot sehe ich es aber genau umgekehrt, dass ich mir DURCH das Tarot meiner persönlichen Bandbreite erst gewahr werde (bzw die Möglichkeit habe, mir gewahr zu werden, wenn ich das Handwerk "Tarot" erlerne!!). Dadurch ergibt sich für mich auch das "Wachsen" das Ihr ja schon erwähnt habt...

Fertiggewachsen sind wir hoffentlich solang wir leben nicht, aber einen soliden Grundstock empfehle ich den Leuten, die mich danach fragen, immer wieder und sehr eindringlich. Die Interpretationen, zu denen man fähig ist, wenn man sein eigenes Potential an Möglichkeiten schon mal erkundet (und vielleicht schon mal einzubauen begonnen) hat, sind imho eben wesentlich breiter, als wenn das nicht der Fall ist.
Titel: Re: Tarot, Kelten, Frust und Lust
Beitrag von: dagaz am November 01, 2010, 14:31:35
Zitat von: "Giles"
ich wusste nicht, dass Du in kabbalah auch unterwegs bist - exzellent !

ups... in der sprache bin ich unterwegs, in der sprache... :weißnicht:
Titel: Re: Tarot, Kelten, Frust und Lust
Beitrag von: Igraine am Juni 02, 2012, 11:00:54
Hallo,

ich habe hier einen interessanten link für euch der einen umfangreichen Kartenvergleich der Decks ermöglicht.

http://www.albideuter.de/html/kartendecks.html (http://www.albideuter.de/html/kartendecks.html)

Mein bevorzugten Tarotkarten sind die altbekannten von Raider Waite. Ich habe kein Problem mit gendering der Karten, bzw. besser ausgedrückt, halte ich derlei für nicht erforderlich.

Weitere Decks von mir sind das Aquarian Tarot, Tarot of the Sephirot und das Crowley Deck. Mit letzterem konnte ich mich nie wirklich anfreunden.

Giles, deine Ausführungen empfinde ich als hochinteressant. Ist dein Buch mittlerweile gedruckt worden?

Igraine
Titel: Re: Tarot, Kelten, Frust und Lust
Beitrag von: Igraine am Juni 02, 2012, 11:25:53
Zu deiner Kartenbeschreibung der Hohepriesterin bei Raider Waite:

In einem anderen Forum haben wir - also die damaligen Forenuser - begonnen die Karten zu diskutieren, also unsere unterschiedlichen Sichtweisen und Interpretationen der Karten zu besprechen. Das ist jetzt zwei Jahre her ca.

Ich zitiere einen meiner damaligen Beiträge dazu
"Beginnen wir wieder mit dem Kopfschmuck. Er erinnert an den Kopfschmuck der ägyptischen Göttin Isis, die aus Hathor hervorgegangen ist, frühe Darstellungen von Hathor zeigen sie als Kuh, welche ihre Kinder nährt. Es ist eine der Urmütter, jene die weise und langsam und still und sanft ihre Kinder (uns alle, die Erde) nährt. Jene, die jedem gibt, was er/sie gerade braucht. Und nun trägt die Hohepriesterin des Tarot einen solchen Kopfschmuck. Die Scheibe ist der Mond , der Vollmond, welcher sein Licht von der Sonne empfängt und mild wieder abstrahlt. Wir haben hier also das empfangende weibliche Prinzip dargestellt. Die Hörner zu beiden Seiten weisen auf die Urmutter Hathor, auf Isis hin. Sie stellen die  Mondphasen dar, den zunehmenden und den abnehmenden Mond. So wie sich der Zyklus der Frau ja auch in etwas 28/29 Tagen rundet, wie die Phasen des Mondes. Die meisten Kinder kommen nachts zur Welt, wenn die Tagesgeschäfte ruhen, die meisten Menschen schlafen und sich die geschäftigen Energien zurückziehen, dann wird es im Leib der Frau , in ihrem Kelch des Schoßes lebendig und die Geburt findet statt. Sie sitzt direkt auf dem Steinblock, ihr Schoß ruht auf Malkuth, das Weibliche ist Malkuth wesentlicher näher, Binah ist ja auch der formgebende, verfestigende Teil des göttliches Paares. Dem Mond begegnen wir ein zweites Mal in diesem Bild, als schmale Sichel zu ihren Füßen, die im Gewand verborgen sind, d. h. die Betonung liegt auf dem Schoß der auf dem Block sitzt. Diese schmale Mondsichel erinnert sehr an die Mondsichel mit der Shiva auf fast allen Bildern dargestellt wird.
Das blausilbrige Gewand fließt an ihrem Körper herab, es ist wie Wasser und gerade am unteren Rand des Bildes löst es sich gleichsam wie in kleine Wellen auf. Wasser beleuchtet von den silbernen Strahlen des Mondes, welches sich kurz in der Mondsichel staut aber dann überfließt. Die Hohepriesterin hält die Tora mit der linken Hand auf die rechte Seite. Die Tora, die Rolle des Wissens ruht also im Schoß der Hohepriesterin, der milden Urmutter , sie ist aber nur halb zu sehen, sie verschwindet in den Falten des Wassergewandes im Bereich des rechten Armes.

Bild eins der Magier, die männliche gestaltende Kraft, Bild zwei die Hohepriesterin, die empfangende formgebende Kraft, der Kelch des Wassers. Denkt an das Meer, wird es nciht auch vom Mond beeinflusst? Ebbe und Flut sind Auswirkungen der Mondenkraft auf diese mächtige Wasserfläche.
Zur eins kommt die zwei dazu.
Einheit in der Zweiheit. Der Mensch ist Mann und Frau.  Jeder Mann trägt seine Anima in sich und jede Frau ihren Animus in sich und erst wenn er seine weiblichen Anteile und sie ihre weiblichen Anteile integriert haben, werden sie wirklich zum Menschen in der Einheit. Um wie viel mehr müsste dies gelingen, wenn ein Mann und eine Frau auf allen Ebenen des Menschseins wirklich eins werden...
Thema des Bildes ist also das Weibliche, empfangende passive und die Zweiheit, die nun durch Hinzutreten der Hohepriesterin zum Magier entsteht und erst dadurch, wenn die Aussage verstanden wird, durch hindurchgehen durch die Hohepriesterin, bzw. das was sie verkörpert, der Vorhang, der Schleier, gelüftet werden kann und das unendliche Meer erreicht werden kann.
Die Zweiheit finden wir sehr deutlich in den beiden Säulen Boas und Jachin verkörpert. Es sind zwei Pole, links und rechts, schwarz und weiß (bitte nicht mit Gut und Böse verwechseln), positiv und negativ, männlich und weiblich,.....
Zwei Pole zwischen ihnen besteht Spannung, die nach Ausgleich strebt, durch diesen Ausgleich entsteht Schöpfung, ausbalancierte Schöpfung in Schönheit.

„13 Und der König Salomo sandte hin und ließ Hiram von Tyrus holen. 14 Der war der Sohn einer Witwe aus dem Stamm Naftali, sein Vater aber war ein Tyrer, ein Bronzeschmied. Er war voller Weisheit und Einsicht und Kenntnis, um jegliche Arbeit in Bronze auszuführen. Und er kam zu dem König Salomo und führte [ihm] alle seine Arbeit aus. 15 Und er formte die beiden Säulen aus Bronze: achtzehn Ellen [betrug] die Höhe der einen Säule, und ein Faden von zwölf Ellen umspannte sie; ihre [Wand]stärke war vier Finger [breit, und innen war sie] hohl; ebenso war die andere Säule. .... 21 Und er stellte die Säulen an der Vorhalle des Tempelraums auf. Er stellte die rechte Säule auf und gab ihr den Namen Jachin, und er stellte die linke Säule auf und gab ihr den Namen Boas. 22 Und oben auf den Säulen war Lilienarbeit. So wurde das Werk der Säulen vollendet.“

Der "Sohn einer Witwe" stellt also die Säulen auf, diesem Symbol des Sohnes der Witwe begegnen wir mehrmals. Parzifal, der reine Tor (Narr, alle Möglichkeiten sind offen) zieht in die Welt hinaus und findet den Gral, der Sohn der Witwe ist auch ein zentrales Thema bei den Freimaurern und auch in den europäischen Urreligionen finden wir Anklänge vom Sohn der Witwe. Denkt an die Fruchtbarkeitsriten, der alte Hirsch stirbt um dem neuen Cernunnos Platz zu machen um mit der Göttin für neue Fruchtbarkeit und Leben zu sorgen.
Die Säulen sind aus Bronze. Bronze ist eine Legierung aus Kupfer und Zinn. Kupfer ist das Metall der Venus, steht also für Liebe, Fruchtbarkeit, Kreativität. Zinn ist Jupiter zugeordnet. Jupiter der Göttervater, der mit weiser Hand streng, gerecht und milde in Fülle herrscht. Jupiter wird mit Zeus gleichgesetzt, dem Göttervater in der griechischen Mythologie. Zeus, der Sohn des Kronos, der seine Kinder verschlingt, um selbst an der Macht zu bleiben. Jupiter steht für Fülle, für Vermögen, Wohlstand in positiven Sinne.
Die Farbe des Jupiter ist blau, blau wie das Wasser. Wir haben also in der Bronze, in der Legierung von Kupfer und Zinn das Verschmelzen von Venus und Jupiter, weiblich und männlich symbolisiert, dargestellt in zwei Säulen. Einheit in der Zweiheit.

Boas bedeutet "in Kraft" " mit Stärke" und Jachin "zu errichten". Es wird also mit Stärke und Kraft das Werk errichtet durch die Verbindung von Venus und Jupiter in der Bronze mit Kraft und Stärke errichtet. Ist der Ausgleich zwischen den Polen gleichmäßig und harmonisch ergibt sich Stabilität, Harmonie und Schönheit, Tiphareth. Wer gut hinsieht erkennt Tiphareth in der Schöpfung selbst, in einer Blume, einem Baum, einem kleinen Grashalm am Wegesrand.
Diese Säulen mit so viel Symbolkraft stehen vor dem Tempel in dem das Wissen aufbewahrt wird. Hier muss der Mensch hindurch damit er den Schleier, den Vorhang hinter der Hohepriesterin durchschreiten kann, dann gelangt er zum Meer zum grenzenlosen Wasser der unendlichen Möglichkeiten.
Der Boden der Karte ist gelb, es ist das gelb vom Hintergrund der Karte der Magier, auf diesem gelb stehen die Säulen, die Säulen selbst können als Phallus gesehen werden und die Säulen enden in den Kelchen der Kapitele. Sind es Lotusblüten? Vielleicht...
Das erinnert an den tausenblättrigen Lotus. Lotusblüten deren Wurzeln im Boden des Wassers ruhen, deren Stengel durch das Wasser wachsen und deren Blüten ruhig auf der Wasseroberfläche zu schweben scheinen. Eine Darstellung von der Vereinigung des männlichen mit dem weiblichen. Im Buddhismus gilt die Lotusblüte als Symbol für die Vagina und die Lotuspflanze als Symbol für den Lauf der Zeiten im ewigen Wandel.

Der Vorhang: Der Vorhang ist geschmückt mit Granatäpfeln, Palmen und Blättern.
Die Granatäpfel sind Symbole der Fruchtbarkeit, sie sind umgeben von gelber Farbe, hier muss der Magier, hier muss die gestaltende Kraft hindurch. Seht euch mal die Palmen an. Der Stamm der Palme ein Phallus, die Krone der Palme erinnert an eine Vagina, die Palmen sehen fast aus wie ein Ankh, das Lebenskreuz, das die Verbindung von männlich und weiblich symbolisiert und so für das Leben selbst steht, für die dauernde neu Entstehung und Werdung des Lebens. Der Ankh als Symbol für das leben das war, das ist und das sein wird. Die Frucht sind die Granatäpfel, die in ihrem Inneren wieder Samen tragen, die für neues Leben stehen.

Die Granatäpfel sind nun nicht irgendwie angeordnet. Sie symbolisieren den Baum des Lebens. Über dem Kopf der Hohepriesterin Kether, links und rechts des Kopfes Binah und Chockmah, auf der Höhe ihrer Schultern und ihrem Körper bereits näher Geburah und Chesed, auf der Höhe ihrer Hüften und bereits halb verdeckt von ihrem Körper Hod und Netzach. Tipharet ist das Kreuz auf ihrer Brust. Die gleichschenkelige Verbindung zwischen oben und unten (wie oben so unten) und die Verbindung der beiden Pole. Daath können wir uns im Kopf/der Kehle der Hohepriesterin denken. Yesod ist der Schoß in dem die Rolle des Wissens ruht und Malkuth der Steinblock auf dem die Hohepriesterin sitzt.
Aufgefallen ist mir auch, dass die Mondscheibe exakt gleich weit vom Tipharetkreuz entfernt ist wie der Schoß/Yesod. Der Mond spiegelt sich in Yesod, messt es mal nach.

Leben entsteht dort, wo sich die Pole vereinigen im - wie oben so unten - da ist der Schöpfungsprozess erkennbar für uns, wenn wir durch die Hohepriesterin hindurch geleitet vom Wissen , das Geheimnis des Vorhanges erkennen, diesen dadurch lüften und zum Wasser des Meeres der Lemniskate kommen.


Im Magier , der eins, und in der Hohepriesterin, der zwei,... in der Verbindung dieser beiden Karten liegt die 22, die Welt, verborgen. So fühlt es sich an für mich. Die Karten dazwischen sind der Weg dorthin, der Weg zur letzten Karte."

Tja heute lies sich der Text für mich etwas unausgegoren und ich werfe ein paar Sachen durcheinander. Ich habe mich letztes Jahr also 2011 wenig mit meiner eigenen spirituellen Entwicklung beschäftigt (aus verschiedenen Gründen, habe aber andererseits sehr viel gelernt in dieser Zeit und anfang dieses Jahres :) ) Derzeit grabe ich all die alten Sachen wieder aus.

Also dein Buch interessiert mich sehr Giles, ist es zu haben?

lg Igraine
Titel: Re: Tarot, Kelten, Frust und Lust
Beitrag von: Giles am Juni 05, 2012, 09:17:18
ach, die zwei säulen...

nein, das buch gibt es (noch) nicht. ich sollte es auf englisch neu schreiben, hab das aber noch nicht gemacht. aber vielleicht setze ich mich dieser tage dran. eigentlich müsste es in ein paar monaten fertig sein. ich finde diese neue phase aber gut so. in der zwischenzeit habe ich einiges neu zu erkennen gelernt, glaube ich.
Titel: Re: Tarot, Kelten, Frust und Lust
Beitrag von: Athunis am Juni 05, 2012, 10:48:49
ich persönlich finde die klassischen tarot immer noch am besten, so wie das marseille oder 1JJ etc...
alle anderen neugestaltungen sind zwar schön, so wie auch das rider waite, wo man die kleinen arkana leicht lesen kann, allerdings finde ich am meisten zuspruch bei den älteren modellen, da kann man noch jede menge infos rausholen und sie haben nen archaischeren touch.
Titel: Re: Tarot, Kelten, Frust und Lust
Beitrag von: Igraine am Juni 05, 2012, 18:10:57
Zitat von: "Giles"
ach, die zwei säulen...

nein, das buch gibt es (noch) nicht. ich sollte es auf englisch neu schreiben, hab das aber noch nicht gemacht. aber vielleicht setze ich mich dieser tage dran. eigentlich müsste es in ein paar monaten fertig sein. ich finde diese neue phase aber gut so. in der zwischenzeit habe ich einiges neu zu erkennen gelernt, glaube ich.

Mir reicht das Buch auf Deutsch   :D
Titel: Re: Tarot, Kelten, Frust und Lust
Beitrag von: Giles am Juni 07, 2012, 16:59:24
wir können ja mal ein reading machen, hm?
Titel: Re: Tarot, Kelten, Frust und Lust
Beitrag von: Igraine am Juni 07, 2012, 20:39:06
Aber gerne doch  :)