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Autor Thema: Ich will nicht mehr schweigen - Elham Manea  (Gelesen 3538 mal)

Mc Claudia

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Ich will nicht mehr schweigen - Elham Manea
« am: Oktober 06, 2010, 19:18:01 »
Hi,

da ich grad ein geiles Buch nach dem anderen durchschmökere, hier wieder eine kleine Rezension. Es geht um die jemenitisch-schweizerische Autorin Elham MANEA und ihr neues Buch "Ich will nicht mehr schweigen - Der Islam, der Westen und die Menschenrechte":

http://www.amazon.de/will-nicht-mehr-sc ... 3451297566

Elham Manea ist selbst Muslimin, allerdings, so wie z.B. auch Seyran Ates, pflegt sie einen Islam, der absolut liberal und menschenrechtlich orientiert ist.

http://www.forum-islam.ch/de/index.php

In ihrem Buch, das ein bisschen wie ein Essay geschrieben ist, erzählt sie einiges über ihre Erfahrungen und ihr Aufwachsen in verschiedenen arabischen Ländern. Sie erzählt, wie sie durch ihren Vater liberal erzogen wurde, und wie sie schon in der Jugend "ketzerische" Gedanken entwickelt hat. In ihrer Teenagerzeit hat sie z.B. während ihrer Menstruation den Koran berührt und gebetet (etwas, das Menstruierende im trad. Islam keinesfalls tun sollten, weil sie als unrein gelten).

Sie erzählt, dass der Islam historisch viele verschiedene, bunte Richtungen entwickelt hat und sieht diese Pluralität durch den neuen Islamismus, der nur eine strenge Auslegung duldet, gefährdet.

In der Schweiz, wo sie heute lebt, hat sie nach dem 11. September 2001 ernsthaft überlegt, zur evangelischen Kirche zu konvertieren oder zu einer anderen, liberaleren Religion. Sie ist aber Muslimin geblieben, weil sie diese Religion liebt. Allerdings hat sie, ähnlich wie die Aufklärer und Liberalen bei den christlichen Kirchen, eine Islam-Version entwickelt, die die Menschenrechte als höchstes Gut achtet, den Koran quellenkritisch liest, Frauen und Männer absolut gleich berechtigt und keine Denk- und Kritikverbote hat.

Frau Manea spricht mir absolut aus der Seele. Ihre Selbstreflexion ist genial, ihre Konsequenz könnte auch fast die meine sein. Meine Gedankengänge in Bezug auf meine Religion sind sehr ähnlich dem, was Manea in ihrem Buch über ihre Religion beschreibt: Sie ist der Meinung, dass sich der Islam nicht wirklich weiterentwickelt, solange der Koran wortwörtlich als Gottes Wort und als unkritisierbar gilt. Deshalb sind ihres Erachtens auch Versuche, Menschenrechte mit Koranversen zu begründen, eine Sackgasse, da für jede liberale Sure auch eine fundamentalistische, intolerante gefunden werden kann. Es ist also unumgänglich, dass die Menschenrechte über der Religion stehen. Das ermöglicht, die menschenverachtenden Suren als solche zu sehen, im historischen Kontext zu sehen und damit für heute für ungültig und veraltet zu erklären. Damit widerspricht sie natürlich den trad. Koranauslegungen. Andererseits bringt sie auch historische Beispiele frühmittelalterlicher Islamkritiker, die ganz ähnliche Argumente vorbrachten wie sie heute.

Manea spricht sich klar und deutlich gegen die Unterdrückung von Mädchen / Frauen aus und ist auch ziemlich entgeistert von Teilen der Rechtsprechung in einigen europäischen Ländern, bei denen die Menschenrechte offenbar nur für Einheimische gelten, während man z.B. Gewalt in einer muslimischen Familie mit der anderen Kultur rechtfertigt. Über das Kopftuch hat sie eine geteilte Ansicht. Einerseits, so meint sie, soll jede Frau sich kleiden, wie sie will. Andererseits definiert sie das islamische Kopftuch als das, was es lt. Koran ist: sexistisch. Frauen haben sich zu bedecken, damit Männer nicht notgeil über sie herfallen. Diese Ansicht, so Manea, hat nichts mit der Beziehung zu Gott zu tun, sondern reflektiert ausschließlich ein krudes Geschlechterbild, das weder Frauen noch Männern nützt. Ihres Erachtens sollten daher weder Lehrerinnen an öffentlichen Schulen noch kleine Mädchen Kopftuch tragen. Erstere nicht, um nicht als Vorbild zu dienen (du bist nur dann eine echte, brave Muslima, wenn Du Kopftuch trägst), und letztere, weil sie Kinder sind, noch keine Frauen.

Manea betet daher auch ohne Kopftuch und ist auch der Meinung, dass Frauen und Männer gemeinsam im großen Saal der Moschee beten sollen. Sie hat keinen Bock mehr drauf, in ein Hinterzimmer der Moschee verbannt zu werden.

Die Autorin bringt vier Punkte, auf die sich ihr reformierter Islam stützt: „Menschsein kommt vor Religion“, „Wahlfreiheit und Rationalität“, „Schluss mit den Denkverboten“ und „gleiche Rechte für Frauen und Männer“. Ich könnte die Ethik, an der ich auch meine eigene Religion messe, kaum treffender ausdrücken.

Danke, Frau Manea, für dieses wunderbare Buch!

10 von 10 Punkten.

Mc Claudia
« Letzte Änderung: Januar 01, 1970, 01:00:00 von Guest »


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