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Autor Thema: universalistische Ideen  (Gelesen 48862 mal)

Mc Claudia

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universalistische Ideen
« am: Oktober 11, 2010, 16:42:38 »
Liebe Mit-User/innen,

mir macht schon längere Zeit Gedanken, inwieweit, nach welchen Prinzipien, und ob überhaupt Ideen, Philosophien, Regeln, Ideologien (oder sogar Religionen?) auf alle Menschen auf der ganzen Welt anwendbar, also universalisierbar sind. Mit großem Interesse verschlinge ich gescheite Bücher und Artikel über die Menschenrechte, über Religionen, Fundamentalismen, Religionskritik.

Die meisten neuen Heid/innen, die ich kenne - mich inbegriffen - halten nichts von Missionierung. Auch liberale Richtungen in etablierten Religionen haben's nicht mehr so mit der Allgemeingültigkeit und mit dem Absolutheitsanspruch ihrer Reli. Und trotzdem - die Welt ist ein globales Dorf, per TV und Internet erfährt man binnen kürzester Zeit über alle möglichen Verbrechen quer über dem Erdball. Die Augen davor zu verschließen geht heute nicht mehr. Die Verantwortung der Machthabenden hat sich globalisiert.

Globales Denken ist aber nicht neu. Schon Diogenes (der mit dem Fass) hat gesagt, er sei ein Weltbürger. Klassische Philosoph/innen haben sich Gedanken drüber gemacht, was den Menschen an sich ausmacht, und wie die verschiedenen Kulturen und Religionen zusammengehen können. Das heißt, schon in der klassischen Antike haben einige kapiert, dass die Welt nicht an Griechenlands (oder Roms) Grenzen aufhört, und dass dahinter auch Menschen leben.

Jetzt muss man sich natürlich fragen, wenn ich ein Verbrechen schlimm finde, warum finde ich es schlimm? Gibt es eine Maxime, einen kategorischen Imperativ, eine Grundregel, Tugenden, Gefühle, nach denen ich mir mein Urteil bilde, nach denen ich versuche, selbst zu handeln? Wahrscheinlich wird jede/r, der/die kein Soziopath/in ist, mit ja antworten.

Jetzt geht es darum, für wen diese meine Maxime gelten soll. Also nehmen wir an, ich habe eine Maxime, die ich so toll finde, dass ich mir vorstellen kann, dass damit der Menschheit insgesamt geholfen ist, wenn sie sie beherzigen würde. Das tue ich auch, und wende meine Maxime auf alle Menschen zu allen Zeiten an. Damit sehe ich meine Maxime als universalistisch an. Das heißt, ein Verbrechen, das ich für ein solches halte, ist dann immer ein Verbrechen, egal ob bei den alten Kelten oder im 21. Jhdt., egal ob in Somalia oder in Österreich.

Oder bin ich relativistisch? Das heißt, bin ich der Meinung, dass meine Maximen, die ich für ganz richtig und gut finde, nur für mich, oder höchstens für meinen Staat, meine Gruppe, die EU, die westliche Welt gelten, und die keinerlei Anspruch auf Universalität haben, weil es keine Möglichkeit gibt, universalistische Ideen zu bilden, weil jede Kultur anders ist? Das heißt, ich bin der Meinung, dass ich, weil ich auch nur Kind meiner Kultur bin, es unmöglich schaffen kann, über mich selbst hinauszudenken, um verallgemeinerbare Ideen zu denken. Das heißt, was in meiner Kultur ein Verbrechen ist, werde ich dulden, wenn es in einer anderen Kultur passiert, wenn es dort als Heldentat gilt, weil es ansonsten eurozentrisch oder ethnozentrisch wäre (und wer bin ich schon, dass ich über andere urteilen darf).

Die Debatte ist eine große und nicht gerade einfache.

Was mich in erster Linie interessiert: Glaubt Ihr, dass es Regeln, Normen, Ideen, Ideologien, Philosophien oder viell. sogar Religionen gibt, die Ihr als dermaßen toll und bar jeden Makels seht, dass Ihr der Meinung seid, mit deren Einhaltung wäre allen Menschen auf der ganzen Welt geholfen? Habt Ihr also in Eurem Ideenkatalog Dinge, die Ihr universalisieren würdet? Wenn ja, welche sind das? Und, warum würdet Ihr sie universalistisch sehen? Und – angenommen, Ihr hättet die Macht, wie würdet Ihr widerwillige Menschen dazu bringen, Euren Ideen zu folgen?

Das interessiert mich in erster Linie. Wenn Ihr eher zu den (Kultur)relativist/innen gehört, würde mich interessieren, wie Eures Erachtens ein globales Zusammenleben funktionieren soll, wenn es unmöglich ist, gemeinsame Werte zu formulieren.

Das alles ist theoretisch. Ich bin mir sehr wohl bewusst, dass weder die Menschenrechte noch sonstwelche guten Ideen irgendwo so verwirklicht sind, dass man die Hände in den Schoß legen könnte. Und es ist mir vollkommen klar, dass weder ich, noch Ihr genügend Macht haben, um unsere Ideen da jetzt großartig durchsetzen zu können. Und es ist mir auch klar, dass gute Ideen oft missbraucht wurden / werden. Es ist vielmehr ein Gedankenspiel. Nachdenken, was wäre wenn – alle Menschen nach der eigenen tollen Maxime leben würden?

Meine eigene Antwort gebe ich in einem der folgenden postings.

So, jetzt bin ich aber auf Eure Antworten neugierig!

Liebe Grüße

Mc Claudia
« Letzte Änderung: Januar 01, 1970, 01:00:00 von Guest »

morgane

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Re: universalistische Ideen
« Antwort #1 am: Oktober 11, 2010, 17:55:19 »
Hi mc. claudia!
Das ist eine gute und interessante frage, mit der ich momentan auch umgehe, auch in bezug aug einen bestimmten thread  ;)
Ich bin für mich zu dem schluss gekommen (und der ist jetzt wirklich völlig ideologiefrei), dass es bezüglich dieser frage eine gemeinsamkeit in allen religionen gibt, aber, dass man für die formulierung dieser regeln keine religion braucht. Das schaut ungefähr so aus:

- jeder mensch sollte, innerhalb gewisser grenzen, die wiederum ausformuliert sein müssen), frei sein können in gedanken, worten und handlungen, soweit es nicht das gleiche recht seiner mitmenschen - und geschöpfe tangiert. In etwa *tu was du willst und schade keinem*.

- das leben ist wertvoll und muss geschützt und respektiert sein. Das gilt auch für tiere und pflanzen - auch für die, die uns als nahrung dienen. Das würde natürlich einen wesentlich anderen umgang mit sog. *nutztieren* bedingen. Der umgang mit unserer lebenswelt ist grundlegend. Ausbeutung in jeder form ist verbrecherisch.

- keine ideologie, keine religion, kein politisches system hat das recht, diese grundrechte der menschen einzuschränken - sonst kehrt sich der grundsätzliche wert einer religion in ihr gegenteil um. In etwa: *kein zweck heiligt die mittel*

Das wär's eigentlich. Zum größten teil sind diese maximen in den menschenrechten ausformuliert. Ich finde sie gültig für alle menschen, weil sie ein menschenwürdiges leben ermöglichen.

lg morgane
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Die natur der natur ist allemal übernatürlich (Seth)

barbara

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Re: universalistische Ideen
« Antwort #2 am: Oktober 11, 2010, 19:47:04 »
Hallo McClaudia

"Liebe deinen Nächsten wie dich selbst" ist meine Maxime, und auch wenn sie aus dem Christentum stammt, so kann und soll sie religionsunabhängig angewendet werden.

"Liebe"
lese ich als: achte und respektiere die Mitmenschen und andere Wesen; ehre sie als was sie sind; lerne sie kennen; lerne ihre Motive verstehen; lasse ihnen ihre Freiheit, auch ihre Freiheit, Dinge zu tun, die ich selbst als dumm oder unsinnig oder gefährlich erachte. Dies lässt auch grosse Flexibilität in Anbetracht konkreter Situationen, besonders ungewöhnlicher Situationen, auch in der Begegnung mit anderen, fremden Kulturen, wo meine Handlungen oder Nicht-Handlungen immer vom konkreten Fall abhängen - und diese Beurteilungen können sich durchaus im Lauf der Zeit verändern.

"deinen Nächsten"
sollst du lieben - also jene Person, jenes Wesen, mit dem ich gerade zu tun habe. Ja, es geschehen schlimme Dinge im Kongo, in Tschetschenien, in der Wüste Australiens und an vielen anderen Orten - aber ich habe nicht die Kraft, alles darüber zu lernen und mich zu engagieren. Wenn ich aber eine durstige Zimmerpflanze sehe, so kann ich ihr allerdings etwas Wasser geben, in dem Moment ist sie "meine Nächste". Wenn ich im Laden meinen Kaffee kaufe, kann ich daran denken, dass ich allen eine Altersvorsorge und Krankenversicherung gönne, und kaufe Fair Trade - in dem Moment sind die Unbekannten, die meinen Kaffee zubereiteten, "meine Nächsten". Ich kann dort, wo ich bin, meine Aufgaben nach bestem Wissen und Gewissen erfüllen, mit jenen Menschen und Wesen, mit denen ich gerade in Kontakt bin. und das reicht.

"wie dich selbst"
 - nicht mehr, nicht weniger.

Jegliche Art von Zwang auszuüben, den andere Menschen dazu bringen könnte, diesem Prinzip zu folgen, verbietet sich ja wohl vom Prinzip her selbst. Liebe verführt, lockt und sagt "sieh doch, es ist so schön" - kommen muss jeder selbst, die wohltuenden Wirkungen dieses Prinzip muss jeder selbst erfahren.

ich kann noch nicht mal sagen, mit der Einhaltung des Prinzips wäre allen geholfen - meiner Meinung nach lieben alle schon sowieso sich selbst gleich wie ihre Nächsten - ebenso wie jeder sich selbst gleich hasst, verachtet, erfreut, erregt, beleidigt... wie seine Nächsten. Was du an deinem Nächsten tust, tust du an dir selbst. Und auch ein Streben nach Liebe und Geliebt-Werden hat wohl jeder Mensch - auch wenn es manchmal mit der Ausführung hapert, auch wenn es immer wieder Missverständnisse und Irrtümer in Bezug auf die Liebe gibt, auch wenn die Emotionen mal durchknallen oder die Gedanken zu starr werden... aber suchen tun doch alle nach der Liebe. alle wollen Liebe.

grüsse, barbara
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dagaz

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Re: universalistische Ideen
« Antwort #3 am: Oktober 12, 2010, 03:55:09 »
diese verhaltensregeln bezw -muster sind eigentlich von der evolution in uns angelegt. leider sind wir von dieser als kleingruppenwesen und nicht für ein zusammenleben in großstädten ausgerüstet, d.h., die genetische programmierung zu kooperation und gegenseitiger hilfe funktioniert bei unserer jetzigen lebensweise nur bedingt, eben in kleinen freundeskreisen (wozu durchaus auch vereine bis zu einer gewissen größe gehören mögen).

als das klar wurde, weil die leute begannen, einander zu beklauen, berauben, vergewaltigen, auszubeuten, umzubringen,  entstanden religionen, die nächstenliebe - eigentlich die umlegung des hordenverhaltens auf die masse - predigten, um das funktionieren der gesellschaft zu gewährleisten - und gesetze, um die in schach zu halten, die auf die regeln pfiffen.

wie auch immer, 2100 sind wir bestimmt keine 6 oder mehr milliarden mehr, wenn wir so weiter machen. dann geht sichs vielleicht wieder mit dem paläolithischen verhalten wieder aus, ohne dass lang regeln - seien sie religiös oder institutionell - aufgestellt werden müssten.
« Letzte Änderung: Januar 01, 1970, 01:00:00 von Guest »
dæg byþ drihtnes sond - deore mannum
mære metodes leoht - myrgþ ond tohiht
eadgum ond earmum - eallum brice

Sambuca

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Re: universalistische Ideen
« Antwort #4 am: Oktober 12, 2010, 09:19:26 »
Zitat von: "morgane"
- jeder mensch sollte, innerhalb gewisser grenzen, die wiederum ausformuliert sein müssen), frei sein können in gedanken, worten und handlungen, soweit es nicht das gleiche recht seiner mitmenschen - und geschöpfe tangiert. In etwa *tu was du willst und schade keinem*.

- das leben ist wertvoll und muss geschützt und respektiert sein. Das gilt auch für tiere und pflanzen - auch für die, die uns als nahrung dienen. Das würde natürlich einen wesentlich anderen umgang mit sog. *nutztieren* bedingen. Der umgang mit unserer lebenswelt ist grundlegend. Ausbeutung in jeder form ist verbrecherisch.

- keine ideologie, keine religion, kein politisches system hat das recht, diese grundrechte der menschen einzuschränken - sonst kehrt sich der grundsätzliche wert einer religion in ihr gegenteil um. In etwa: *kein zweck heiligt die mittel*
Deine 3 Grundsätze erscheinen mir optimal Morgane. Damit ist wirklich alles abgedeckt. Bis zur Verwirklichung ist es aber noch weit und bedarf ein ständiges Hinterfragen seiner Handlung, denn selbst wenn man theoretisch geistig so human ist, im Alltag kommt immer wieder das Triebverhalten-Echsenhirn durch.
Zitat von: "dagaz"
wie auch immer, 2100 sind wir bestimmt keine 6 oder mehr milliarden mehr, wenn wir so weiter machen. dann geht sichs vielleicht wieder mit dem paläolithischen verhalten wieder aus, ohne dass lang regeln - seien sie religiös oder institutionell - aufgestellt werden müssten.

Momentan lese ich ein Buch in dem behauptet wird, erst durch das Schwarz- Weiss Denken, das sich vor 5 tausend Jahren entwickelt hat, entstand der Gedanke von der Abgetrenntheit des Göttlichen. Doch erscheint es mir, als würde dieses Denken erst den Mensch ausmachen und seine geistigen und handwerklichen Fähigkeiten ermöglichen. Mal abgesehen, dass 5.000 Jahre, als Zeitspanne, sehr kurz sind.

Was zu erwünschen wäre, ist ein erneuerter geistiger Sprung, der weg vom Trieb- Hirnverhalten zu reinen Hirnverhalten führt.  :gruebel: Andrerseits, mir fällt das Märchen von dem Fischer und seiner unbescheidenen Frau ein. Gibt auch ähnliche Geschichten in der Mythologie. :(
Leute ich weiß nicht wie es euch geht, aber stapfen wir nicht alle durch die Wüste?
« Letzte Änderung: Januar 01, 1970, 01:00:00 von Guest »
Mit freundlichen Grüßen
Sambuca

morgane

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Re: universalistische Ideen
« Antwort #5 am: Oktober 12, 2010, 09:59:54 »
Mir spukt immer wieder der *kategorische imperativ* durch die hirnwindungen. Wenn ich ihn aber ganauer betrachte, finde ich ihn aber eigentlich zu kategorisch  :rolleyes: und zu wenig allgemein gültig für alle kulturen. Denn mein handeln würde sich wohl kaum als maxime für z.b. einen moslem oder einen buddhisten oder einen juden u.a. eignen. also *kategorischer imperativ* abgelehnt, zumindest für mich  ;)

lg morgane
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barbara

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Re: universalistische Ideen
« Antwort #6 am: Oktober 12, 2010, 10:02:31 »
Zitat von: "Sambuca"
Was zu erwünschen wäre, ist ein erneuerter geistiger Sprung, der weg vom Trieb- Hirnverhalten zu reinen Hirnverhalten führt.  

Hallo Sambuca

das ist etwas, was ich ganz sicher nicht wünsche. Ich bin ein körperliches Wesen, und das ist gut so - mitsamt den Überlebensinstinkten und den Trieben, die zu diesem Körper gehören. Jene Erfahrungen, die mein Leben reicher machten, hatten alle mit Denken und Vernunft herzlich wenig zu tun... sondern viel mehr mit einfach mal machen.

Zitat von: "Sambuca"
Leute ich weiß nicht wie es euch geht, aber stapfen wir nicht alle durch die Wüste?

ich nicht. mein Lebensgefühl ist eher das von Alice im Wunderland.  ;)

grüsse, barbara
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Giles

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Re: universalistische Ideen
« Antwort #7 am: Oktober 12, 2010, 10:13:51 »
Zitat von: "Sambuca"
Zitat von: "morgane"
Was zu erwünschen wäre, ist ein erneuerter geistiger Sprung, der weg vom Trieb- Hirnverhalten zu reinen Hirnverhalten führt.  :gruebel: Andrerseits, mir fällt das Märchen von dem Fischer und seiner unbescheidenen Frau ein. Gibt auch ähnliche Geschichten in der Mythologie. :(
Leute ich weiß nicht wie es euch geht, aber stapfen wir nicht alle durch die Wüste?

einen sprung wünsche ich mir auch, einen in der entwicklung. als "reines hirnverhalten" würde ich das eher nicht verstehen, sondern als synthese von anima und animus / ratio und intuition / etc etc, nach überwindung der bisher gültigen antithese sozusagen.
genau die vorbereitung so eines sprunges erleben wir gerade, wir können rundum schauen wie dinge aufbrechen, sich entwickeln, blühen. gedanken im großen sind toll, laden zum träumen. lasst uns auch gärtner im kleinen sein, im täglichen erleben die sinn-findung erleben. der rest kommt dann schon : )
« Letzte Änderung: Januar 01, 1970, 01:00:00 von Guest »
homo homini lupus

morgane

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Re: universalistische Ideen
« Antwort #8 am: Oktober 12, 2010, 14:20:13 »
Zitat von: "Giles"
Zitat von: "Sambuca"
Zitat von: "morgane"
Was zu erwünschen wäre, ist ein erneuerter geistiger Sprung, der weg vom Trieb- Hirnverhalten zu reinen Hirnverhalten führt.  :gruebel: Andrerseits, mir fällt das Märchen von dem Fischer und seiner unbescheidenen Frau ein. Gibt auch ähnliche Geschichten in der Mythologie. :(
Leute ich weiß nicht wie es euch geht, aber stapfen wir nicht alle durch die Wüste?

Bitte, *aufzeig*, das war nicht ich. Das war Sambuca. :)

lg morgane
« Letzte Änderung: Januar 01, 1970, 01:00:00 von Guest »
Die natur der natur ist allemal übernatürlich (Seth)

Mc Claudia

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Re: universalistische Ideen
« Antwort #9 am: Oktober 12, 2010, 16:00:17 »
Hi,

wow, danke schon mal für die interessanten Ideen! Ich werd aber erst mal meine eigenen formulieren, bevor ich mich in die Debatte werfe:  ;)

Es gibt bei mir auch einige Dinge, die ich universalistisch sehe, und einiges, was Morgane vorgebracht hat, kann ich da vollinhaltlich unterschreiben.

Eine Kulturrelativistin bin ich nicht. Natürlich sollte man Respekt haben vor Traditionen, Lebensweisen, Kulturen, Religionen. Allerdings nicht auf Kosten der Individuen darin, die u.U. durch ebendiese Religionen, Kulturen, Traditionen, Lebensweisen ein absolutes Nachsehen, Nachteile haben, oder deren Würde sogar damit beschnitten wird. (Würde ist – im Gegensatz zu Ehre – etwas, das nach der Naturrechtslehre allen Menschen automatisch eigen ist und das man auch nie verlieren kann.)

In einem spannenden Buch über die Menschenrechte und die Religionen, das ich grad les, argumentiert die Autorin recht plausibel gegen den Kulturrelativismus. Dieser behauptet ja, dass alle Moral und Ethik nur kulturbedingt ist und daher nicht auf andere Kulturen umgelegt werden kann, weil das nichts anderes wäre als Kulturimperialismus. Der Kulturrelativismus geht davon aus, dass es nicht möglich ist, losgelöst von der eigenen Kultur, transzendierte Ideen zu entwickeln, die für alle Menschen gelten könnten. Im Extremfall heißt das, dass jede Moral in jeder Kultur gleich gut ist, und keine Kultur das Recht hat, über (vermeintliche) Fehler der anderen Kultur zu urteilen, weil man der kritisierten Kultur nicht angehört, sie also nie verstehen kann. Man sollte also die Kulturen in ihrem So-Sein immer respektieren, auch die Dinge, die man selbst als verwerflich sieht.

Einige Kritikpunkte nun, die die Autorin auch bringt:

Zum einen ist die absolute Toleranz gegenüber anderen Kulturen auch ein westliches Konstrukt und kann lt. Kulturrelativismus damit nicht verallgemeinert werden.

Weiters würde absolute Toleranz zur Herrschaft der Intoleranten führen, denn die Intoleranten tolerieren ja die Toleranten zumeist nicht.

Weiters haben meist Herrschende in restriktiven Systemen was gegen die Menschenrechte einzuwenden, da diese ihre Macht beschneiden würden. Früge man die Opfer des Systems, sähe die Sache wahrscheinlich anders aus.

Weiters sieht der Kulturrelativismus Kultur sehr monolithisch. An die Grenzen stößt die Idee des „ich bin in einer Kultur, also bin ich“ dann, wenn es innerhalb der Kultur Einzelne oder Gruppierungen gibt, die sich gegen die Kultur stellen oder ganz anderen Ideen entwickeln. Das antike Griechenland z.B. war eine recht einheitliche Kultur (mit einigen Unähnlichkeiten), die verschiedenste Philosophien hervorbrachte. Das geht aber nicht, wenn der Mensch nur ein kulturelles Wesen ist ohne individuelle Denküberschreitungen vornehmen zu können. Dann hätten lauter gleiche Philosophien entstehen müssen.

Weiters entwickeln sich ja Kulturen. Wenn also der Stamm xy im Sudan beschließt, die Beschneidung von Mädchen aufzugeben, hat er ja plötzlich eine andere Ethik als vorher, obwohl er derselbe Stamm geblieben ist. Kultur und Ethik sind also sehr flexibel.

Und was ist mit den Menschen, die mehrere kulturelle Hintergründe haben? Oder mit Menschen wie z.B. Salman Rushdie, die sich durch Selberdenken von der angestammten Kultur/Religion lossagen?

Bei allem Respekt für kulturelle Unterschiede bin ich universalistisch, wenn es um die Menschenwürde geht. Ich finde die Idee der Menschenrechte eine der besten Ideen in der Menschheitsgeschichte, weshalb es sie sind, die ich in meiner Philosophie für absolut setzen würde. Hier schließe ich bei Morgane an.

Das ist meine „Bibel“, die m.E. für alle Menschen gilt:

http://de.wikisource.org/wiki/Allgemein ... chenrechte

Natürlich sind einige der Rechte nicht überall auf der Welt umsetzbar, weil die Voraussetzungen fehlen. Das Recht auf Arbeit und Urlaub ist in einer subsistenten Stammesgesellschaft eher unbedeutend. Aber abgesehen von solchen Kleinigkeiten kann ich an diesen Artikeln kaum etwas aussetzen.

Der Vorwurf, dass die Erklärung der Menschenrechte westlich sei, ist unbegründet, da bei der Ausformulierung Menschen verschiedener Nationalitäten und Religionen dabei waren.

Zu meinen eigenen Fragen:

Und, warum würdet Ihr sie universalistisch sehen?

Weil sie von verschiedenen Menschen verschiedener Kulturen ausformuliert wurden im Bestreben, allen Menschen, unabhängig ihrer Religion, Geschlecht, Herkunft, Ethnie, etc. eine grundsätzliche Würde und damit verbundene Rechte und individuelle Freiheiten zuzugestehen. Es geht um das Recht des/r Einzelnen, sich gegen Übergriffe von Machthabenden verteidigen zu können. Die Machthabenden sind zumeist als Staat sichtbar, können aber auch andere sein (z.B. Familienoberhaupt, Stammesführer, Eltern, Firmenchefs, etc.)


Und – angenommen, Ihr hättet die Macht, wie würdet Ihr widerwillige Menschen dazu bringen, Euren Ideen zu folgen?

Menschenrechte kann man nicht von oben diktieren. Das Gefühl, menschenwürdig behandelt werden zu wollen, muss von unten kommen. Von oben kann (und muss) ich dann dafür sorgen, dass Opfer von Menschenrechtsverletzungen sich Gehör verschaffen und Täter/innen zur Verantwortung gezogen werden. Aufklärung, Bildung, Erziehung der Menschen zu selberdenkenden Individuen wären meine „Waffen“ im Kampf gegen Menschenrechtsverletzungen. Diese Dinge müssen einer internationalen Gemeinschaft (z.B. UNO) unterstellt sein. NGO’s muss es geben, um den Machthabenden auf die Finger zu schauen.


Soweit zu den Menschen.

Morgane hat noch die Tiere und Pflanzen angesprochen. Ein respektvoller Umgang mit der Natur und den Tieren ist auf jeden Fall wichtig. Und da Leid immer Leid ist, egal wann und wo, würde ich auch Tierquälerei und absichtliche Umweltzerstörung (um sich auf Kosten anderer zu bereichern) dazuzählen zu einer Ethik, die man universalisieren kann.

Gerade Umweltzerstörung greift ja oft wieder in die Menschenrechte ein. Wenn ein Multi-Konzern Regenwälder abholzt, die dortigen Menschen als Lebensraum dienen, werden die ja in ihren Menschenrechten beschnitten.

Soweit mal zum ersten.

Liebe Grüße

Mc Claudia
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Nachteule

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Re: universalistische Ideen
« Antwort #10 am: Oktober 12, 2010, 16:40:46 »
Ein sehr spannendes Thema. Bei mir zuhause finden solch ähnliche Gespräche mit meiner Tochter statt, die sich mehr und mehr mit solchen und anderen Themen auseinandersetzt. Allerdings kennen wir so nicht die direkten Begrifflichkeiten. Wie heißt denn das Buch, das Du da gerade liest, McClaudia?
« Letzte Änderung: Januar 01, 1970, 01:00:00 von Guest »

morgane

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Re: universalistische Ideen
« Antwort #11 am: Oktober 12, 2010, 18:03:35 »
ich bin da ziemlich pragmatisch, denn ich frage mich: *was brauchen alle menschen gleichermaßen, unabhängig von kultur und lebensweise?*

1. ausreichende nahrung + sauberes wasser
2. ein (gemütliches) dach über dem kopf
3. befriedigende soziale beziehungen
4. entfaltungsmöglichkeiten (sinnvoll erlebte arbeit, bildung, unterhaltung)
5. sinn

Das würde ungefähr der maslow - pyramide entsprechen und kann in jeder kultur entsprechend der kulturellen und geografischen besonderheiten in verschiedenen formen gelebt werden. So wird z.b. ein gemütliches haus in den schweizer alpen anders aussehen als in nordafrika, soziale beziehungen in westlichen kleinfamilien anders als bei mongolischen nomaden usw. aber grundsätzlich sind die bedürfnisse gleich.
http://www.google.at/imgres?imgurl=http ... CCUQ9QEwAg
lg morgane
« Letzte Änderung: Januar 01, 1970, 01:00:00 von Guest »
Die natur der natur ist allemal übernatürlich (Seth)

Mc Claudia

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Re: universalistische Ideen
« Antwort #12 am: Oktober 13, 2010, 15:46:00 »
Hi,

@Morgane:

Sehe ich auch so. So ungefähr geht ja auch die utilitaristische (empirische) Begründung für die Menschenrechte (o.ä.). Die Autorin des Buches, das ich grad les, neigt aber eher der metaphysischen Begründung zu, also der Naturrechtslehre, die ungefähr im Art. I. der Menschenrechtserklärung verankert ist (alle Menschen sind von Natur aus mit Vernunft und Gewissen begabt, weshalb ihnen auch gleiche Rechte zustehen.) Sie hat einige Gründe gegen die empirische Begründung gebracht, die ich aber nicht ganz durchblicke. Auf jeden Fall darf man argumentativ einen Sollen-Satz (alle Menschen sollen gleiche Rechte haben) nicht von einem reinen Ist-Satz (die meisten Menschen streben nach Gerechtigkeit/Freiheit/Würde) ableiten. Andererseits könnte man eine zweite Prämisse einbauen:

1. die meisten Menschen streben nach Freiheit/Würde/Gerechtigkeit
2. Was die meisten Menschen anstreben, ist gut
Conclusio: alle Menschen sollen gleiche Recht haben

(wenn ich das da grad richgit verstanden habe:)

http://www.gavagai.de/themen/HHPT06.htm

Bei der metaphysischen Begründung wird eine unumstößliche Vorannahme gesetzt, die empirisch nicht wirklich bewiesen werden kann: nämlich die Gleichhaftigkeit aller Menschen in ihrer Anlage zur Vernunft und Gewissen. Darauf basieren dann die Menschenrechte.

Gut, wie auch immer man sie begründet, ich finde beide Ansätze voll OK.  :)

@Nachteule:

Ich werds sicher noch in die Bibliothek hier schmeißen, hier vorab:

http://www.amazon.de/product-reviews/3466368227

http://www.medienverantwortung.de/wp-co ... %B6sel.pdf

Da ich erst am Anfang bin, kann ich noch nicht viel sagen.

liebe Grüße

Mc Claudia
« Letzte Änderung: Januar 01, 1970, 01:00:00 von Guest »

morgane

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Re: universalistische Ideen
« Antwort #13 am: Oktober 14, 2010, 09:52:02 »
Hi mc. claudia!
Dieses streben nach würde und gerechtigkeit ist mir sehr gut nachvollziehbar. Es dürfte gleich nach den basalen bedürfnissen nach nahrung und wärme kommen. Waren doch sogar die insassen von KZs, trotz ihres ständigen hungerns und frierens, darum bemüht, sich ein klein wenig menschenwürde zu erhalten, obwohl genau DAS das bestreben der herrschenden war, sie zu *untermenschen* zu machen und ihnen ihre würde zu nehmen.

Kürzlich sah ich in ARTE einen bericht über (ja, welches afrikanische land war das nur wieder :gruebel: ?). Da haben frauen, die von ihren männern nach vergewaltigungen verstoßen, geschlagen und auf andere weise unterdrückt worden waren, ein eigenes frauendorf gegründet, mit grund und boden, um sich selbst erhalten zu können. Die fähigkeit, für ihr eigenes überleben sorgen zu können, hat sie selbstbewusst gemacht. Das dorf blüht und gedeiht.

Ich denke daher, dass diese berühmte maslow - pyramide eigentlich ein kreis ist, wo man an jedem punkt ansetzen kann, um ein menschenwürdiges leben zu gewährleisten. Die bedürfnisse lassen sich eigentlich nicht voneinander abgrenzen. Sie alle sind unverzichtbar.

lg morgane
« Letzte Änderung: Januar 01, 1970, 01:00:00 von Guest »
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morgane

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Re: universalistische Ideen
« Antwort #14 am: Oktober 14, 2010, 10:54:07 »
« Letzte Änderung: Januar 01, 1970, 01:00:00 von Guest »
Die natur der natur ist allemal übernatürlich (Seth)