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Autor Thema: Was mir am Judentum sympathisch ist  (Gelesen 28551 mal)

Mc Claudia

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Was mir am Judentum sympathisch ist
« am: April 23, 2012, 16:52:20 »
Liebe Leute,

von Buddhismus, Hinduismus, Christentum und Islam sind die Jenseitsvorstellungen ja bekannt. Bei letzteren kommt man in einen ewigen Himmel oder eine ewige Hölle, die je nach Liberalitätsgrad mehr oder weniger drastisch und wörtlich ausgelegt wird. Im Buddhismus und Hinduismus gibt es Karma und Wiedergeburt, und dazwischen auch Höllen, die ziemlich grauselig sind und auch je nach Liberalitätsgrad mehr oder weniger symbolisch gemeint sind. Am Ende gibts dann hoffentlich die Erlösung (Moksha, Nirvana). Mir sagt keine dieser Vorstellungen zu, weil sie mir in jedem Fall zu drastisch scheinen. Ich meine, für begrenzte Verfehlungen im Leben gleich eine ewige oder millionen Jahre dauernde Hölle oder unüberschaubare Leiden im Wiedergeburtsradl? Nicht so ganz meins. Weder die Sache mit der Ewigkeit eines Zustandes noch mit dem Karma ist mir geheuer.

Ich hab allerdings nie was gefunden über das Judentum. Offenbar gibt es da kein strenges Dogma, was denn nach dem Tod passiert. Aber irgendwie gibts auch eine Vorstellung von einer Art Himmel (Gan Eden) und Erlösung, wenn der Messias irgendwann mal kommt (wann auch immer). Und böse Menschen kommen auch in die Hölle - aber nur für ein Jahr, dann können sie auch in den Himmel. Ich finde diese Vorstellung jedenfalls sehr ansprechend. Hier mehr:

http://www.zeit.de/2007/08/Religion-Himmel

http://www.jewfaq.org/olamhaba.htm

Im ersten Artikel steht auch so schön das do-ut-des-Prinzip zwischen JHWH und den Israeliten. Dieses Prinzip ist urheidnisch, und genauer betrachtet ist das Judentum von allen 5 Weltreligionen eigentlich die heidnischste, jedenfalls dann, wenn man die Jenseitsvorstellungen vergleicht und damit auch die Diesseits-Orientierung, die auch Römern und Griechen, und wahrscheinlich auch Germanen (bei den Kelten bin ich mir wegen dem Wiedergeburtsglauben nicht so sicher) eigen war. (Die Mysterienkulte nehme ich davon aber aus - die waren auch schon sehr jenseitsorientiert!)

Was nach dem Tod passiert, ist nicht so wichtig, offenbar auch nicht so schlimm, weshalb diverse Sünden auch im Diesseits gesühnt werden sollten.

Mir gefällt dieser Ansatz sehr gut. Und die jüdische Jenseitsvorstellung ist mir von allen 5 Weltreligionen jedenfalls die sympathischste.

Nun weiß ich natürlich nicht, was die Kelten geglaubt haben (was mir als Celtic Recon Heidin wichtig ist), ob es auch Höllen oder so gegeben hat (die Quellen schweigen eher). Wenn ich mir aber eine neokeltische Jenseitsvorstellung aussuchen könnte, dann gäbe es auf jeden Fall einen jüdischen Einfluss, der einer sehr begrenzten Hölle (wenn überhaupt) proklamiert, und weiters eine schöne Anderswelt für alle und wenn Wiedergeburt, dann ohne Karmaabbüßungen.

Was sagt Ihr dazu?

Liebe Grüße

Mc Claudia
« Letzte Änderung: Januar 01, 1970, 01:00:00 von Guest »

Crysalgira

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Re: Was mir am Judentum sympathisch ist
« Antwort #1 am: April 25, 2012, 17:39:37 »
Zitat von: "Mc Claudia"
Nun weiß ich natürlich nicht, was die Kelten geglaubt haben (was mir als Celtic Recon Heidin wichtig ist), ob es auch Höllen oder so gegeben hat (die Quellen schweigen eher). Wenn ich mir aber eine neokeltische Jenseitsvorstellung aussuchen könnte, dann gäbe es auf jeden Fall einen jüdischen Einfluss, der einer sehr begrenzten Hölle (wenn überhaupt) proklamiert, und weiters eine schöne Anderswelt für alle und wenn Wiedergeburt, dann ohne Karmaabbüßungen.
Mc Claudia

Also, über die schöne Anderswelt können wir gerne verhandeln  :) , aber eine Wiedergeburt, wo das Leben dann nicht karmatisch beeinflusst ist, das fällt mir schwer zu glauben ...
Sieh mal, "Karma", wenn wir bei diesem Begriff bleiben wollen, hat für mich nix oder weniger mit "Schuld und Sühne" zu tun, sondern hauptsächlich mit Dazulernen, aus (alten) Fehlern lernen etc. etceterarum
Natürlich ist es wesentlich besser, wenn man diese Welt verlässt, dies so unbelastet wie möglich zu tun, und die nächste Runde mit einer blank slate zu beginnen, aber das bleibt Theorie ... irgendwas kommt immer, das sich in einem Leben nicht auflösen lässt - und da finde ich es tröstlich, dass ich irgendwann noch einmal eine Chance bekommen werde, Dinge in Ordnung zu bringen.

Und eine jenseitsweltige Hölle gibt es für mich nicht. Wenn ich dieses Mal den Schleier durchschreite (um drüben zu bleiben, nicht für ein Ritual  ;) ), dann stehe ich wieder einmal vor meiner Gottheit/vor meinem Inneren Selbst, um mich zu verantworten - was ich getan habe, wird mir glasklar sein - das Gute wie das weniger Gute. Und meine Seele wird sich freuen und bereuen - und dazugelernt haben.
Kommt mir jetzt bitte nicht mit dem Argument " was ist mit wirklich bösen Menschen?": erstens, wer entscheidet, was wirklich böse ist, zweitens, auch die haben eine Seele und damit einen Inneren Richter, auch sie erkennen, was sie getan haben - und können froh sein, dass sie gerade in keiner Haut stecken  :D

Das Leben ist nicht fair, aber das Universum in seiner Gesamtheit ist es - oder zumindest aufkommensneutral. Unterm Strich, wenn die Entwicklung einer Seele (ja, wohin, das weiß ich auch nicht so genau, da hab ich auch nur ein paar Theorien :) ) abgeschlossen ist, werden sich das Gute und das Böse die Waage halten - oder es ist egal.

Naja, darüber könnte ich noch lange philosophieren, aber ich will heut schließlich zum OPen Rit  :D
« Letzte Änderung: Januar 01, 1970, 01:00:00 von Guest »
Don't take life too seriously - you won't get out alive anyway ....

Giles

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Re: Was mir am Judentum sympathisch ist
« Antwort #2 am: April 25, 2012, 17:45:00 »
ist alles sehr sympathisch, nur was ich mich schon frage: wie zulässig ist es, von "dem" judentum zu sprechen, sobald es um so details wie jenseitsvorstellungen geht? da gibt es innerhalb des judentums ja auch alle möglichen unterschiedlichsten blümchen?
« Letzte Änderung: Januar 01, 1970, 01:00:00 von Guest »
homo homini lupus

Mc Claudia

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Re: Was mir am Judentum sympathisch ist
« Antwort #3 am: April 26, 2012, 15:15:23 »
Hi Crysalgira,

danke für Deine Ausführungen, aber das glaube ich halt alles nicht. Also außer die schöne Anderswelt. :D  

Ich finde die jüdische Jenseitsvorstellung, wie in dem Artikel beschrieben, irrsinnig human, weil Sünden oder Fehlverhalten höchstens ein Jahr lang geahndet werden, und dann kommt man in den Himmel. Und diese Vorstellung existierte schon vor Einführung des humanen Strafvollzugs ... Ich finde das einfach nett. Viel humaner jedenfalls als die anderen beschriebenen Jenseitsvorstellungen.

Und ehrlich: Ob ich ein „Sch***“-Karma jetzt als Lernen, Bestrafung, Sühne oder sonstwas bezeichne, ist schnurzegal. Es geht mir um den Zynismus, der mit dem Karmaglauben verbunden ist: Nämlich das „blaming the victim“-Prinzip. Mir hat noch niemand erklären können, wie man Karma verstehen soll, ohne Opfer von Gewalt, Missbildung, unheilbaren Krankheiten etc. damit vor den Kopf zu stoßen.


Hi Giles,

ich habe mich dezidiert auf die Artikel berufen, die ich verlinkt habe und auch auf das, was ich bis jetzt im TV davon in Reli-Sendungen mitgekriegt habe. Mag sein, dass es ne ganze Menge andere Vorstellungen gibt. Das bezweifle ich nicht. Es soll auch Reinkarnationsglauben im Judentum geben. Interessant wäre hier wirklich mal ne Aufklärung, was es alles da gibt. Viel findet man ja nicht, v.a. auch nicht auf Deutsch. Denn ich finds faszinierend, dass es zwar in den Bereich der Allgemeinbildung eingegangen ist, woran Hindus, Buddhisten, Christen und Muslime glauben - das Jenseits betreffend. Das Judentum bleibt aber immer irgendwie diffus. Ich finde die Materie jedenfalls höchst interessant.

liebe Grüße

Mc Claudia
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Athunis

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Re: Was mir am Judentum sympathisch ist
« Antwort #4 am: April 26, 2012, 17:10:20 »
nunja, ich halte mich eher daran, das die paganen religionen und praktiken "eher" auf das diesseitige leben ausgerichtet waren/sind. die völlige kontentration auf das jenseits taucht ja erst so richtig mit dem christentum und den mysterienreligionen auf, daher ist es mir wurst, was nachher passiert, das erfahre ich sowieso dann, wenn ich tod bin.
 :thumbsup:
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Re: Was mir am Judentum sympathisch ist
« Antwort #5 am: April 26, 2012, 21:08:58 »
Hei Athunis,

das ist ja ungefähr auch meine reale Ansicht. Deswegen find ich ja die jüdische Einstellung, bzw. das Fehlen eines strenge Dogmas hiezu so spannend.

Ich glaube halt, dass - abgesehen vom strikten Monotheismus - das Judentum ziemlich heidnisch ist. Diesseits-orientiert, do-ut-des-Prinzip, direkter, auch zorniger, zweifelnder Zugang zum Gott, ritualorientiert (nicht glaubensorientiert), umfangreiche Diskussionen und Philosophien, die sich oft widersprechen (erinnern ein bisserl an die antike Herangehensweise der Griechen/Römer), keine Missionierung.
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Athunis

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Re: Was mir am Judentum sympathisch ist
« Antwort #6 am: April 26, 2012, 22:18:24 »
nunja, die thora ist ja auch eine reiche fundquelle wenn man mal so sehen will, wie man antik geopfert hat, was man mit den viecherl macht, wie der ablauf ist und so. klar die haben wie die antiken paganen geopfert nur halt an den einen ihrigen jehowa.
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Giles

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Re: Was mir am Judentum sympathisch ist
« Antwort #7 am: April 27, 2012, 08:38:34 »
@Claudia: ok, dann beschränken wir uns auf den artikel  :)
wenn ich noch was sagen darf: ich lese Crysalgiras und Dein antwortendes posting. Wenn ich versuche euch beide zu verstehen dann steht da Crysalgira mit einem karma, bei dem es eben nicht um "strafe" oder "belohnung" geht.
so verstanden besteht die auflösung im oder in karma darin, die eigenen taten zu verstehen, wie sie sich auswirken und wie das die betroffenen erleben. echte einsicht ist resultat wie überwindung des karma: habe ich vollständig verstanden (wenn das je geht) wie etwas sich auswirkt, dann ergeben sich daraus zwangsläufig die schlüsse für die zukunft: gut gemacht / war ok aber nächstes mal anders / keine gute idee, da passe ich in zukunft besser auf. Das macht man selber, und zwar wie ich meine nicht erst hinterm schleier sondern idealiter schon davor, wenn auch mit weniger info. hätten wir in jedem leben schon die erinnerung an alle davor würden wir mE schon so verbohrt auf die welt kommen, dass wir gar nix mehr dazu lernen könnten  8)
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Re: Was mir am Judentum sympathisch ist
« Antwort #8 am: April 27, 2012, 16:00:02 »
Hi,

@Giles u. Crysalgira wg. Karma:

für dieses mein jetziges einziges Leben (von anderen weiß ich nichts, auch wenn ich vielleicht ein bisserl dran glaube, weils zum Keltischen gehört) ist eine zukünftige Einschätzung von Taten anhand früherer Fehler, eine Abwägung von zukünftigen Taten und ihre möglichen Auswirkungen, die einem durch einen gewissen Lernprozess bekannt sind, durchaus vernünftig. Das ist eine Binsenweisheit, und mein Lieblingsphilosoph Epikur ist derselben Ansicht, dass man mögliche Auswirkungen zukünftiger Taten beachten soll, damit man weiterhin ein glückliches Leben hat und sich kein Eigentor schießt. (Nebenbei bemerkt, man kann sich auch irren, und die wahrscheinlichen Auswirkungen bleiben aus, und es kommt ganz anders, als man denkt.)

Was genau und warum soll man aber von einem Leben lernen, das man selbst (mit diesem eigenen Bewusstsein) nie gelebt hat, an das man sich für gewöhnlich nicht erinnern kann? Da ist es ja fast sinnvoller, aus den Fehlern anderer bekannter Menschen zu lernen, von denen weiß ich nämlich.

Und ja, die Gretchenfrage bleibt offen: Beispiele? Verkrüppelt auf die Welt gekommen, in einem 3.-Welt-Staat ohne was zum Essen auf die Welt gekommen, ein gewalttätiges Elternhaus, eine unheilbare fürchterliche Krankheit, als Frau im Patriarchat geboren und zwangsverheiratet, genitalverstümmelt, etc. etc. etc. Was GENAU hat da das vorige Leben für Einfluss? Was erzählt man solche Menschen, wenn man ihnen den Karmaglauben verklickern will?

Nicht dass es nicht auch andere religiöse Zynismen gibt, die mit solchen Menschen Sch*** umgehen, auch heidnische (z.B. die weitverbreitete Idee, dass persönlich unverschuldetes Leid (wie oben beschrieben) durch unmoralisches oder götterfrevelndes Handeln (von einem selbst) hervorgerufen wird - auch diese Einstellung verwerfe ich radikal). - Diese Ansicht prägt übrigens auch das Judentum, wo der Gott sein Volk für dessen Verfehlungen straft. Dass sich das auch nicht alle seine Schützlinge gefallen lassen, beweißt z.B. eine krasse Inschrift in einer KZ-Zelle: „Wenn es einen Gott gibt, so muss er sich bei mir entschuldigen.“ ....

Nicht dass ich jetzt eine super religiöse Antwort auf das Vorhandensein von unverschuldetem Leid hätte. Ich habe ein paar Halbantworten. Aber keine davon beinhaltet den „blame the victim“ Faktor.

Wie gesagt, ich warte sehnsüchtig auf eine Karmaerklärung, die Menschen mit so schweren Schicksalen nicht vor den Kopf stößt. Eine Möglichkeit, die für mich akzeptabel wäre, wäre z.B., dass im Vorleben ein ANDERER Schuld war, dass man z.B. mit einer Behinderung auf die Welt gekommen ist. Damit zieht man die Schuld vom Opfer. Davon wird es zwar auch nicht gesund, und im schlimmsten Fall verfällt es in einen Wahn und killt einen Typen, den es blöderweise für die Inkarnation des Täters hält (was auch nicht so toll wäre). Aber das ist mir lieber, als die Idee, dass ein eventuelles eigenes Fehlverhalten mich zum Krüppel schlug. Damit hat man nämlich nicht nur das Problem des körperlichen Leidens sondern trägt auch ein Leben lang einen Schuldkomplex mit sich rum.

(Und nein, ich hab nix dagegen, wenn ein solcher Mensch SELBST der Ansicht ist, dass sein Leiden diesen oder jenen Sinn hat. Aber kein anderer darf einem solchen Menschen sowas sagen!)

Meine persönliche religiöse Lieblingserklärung sind Dämonen, böse misanthropische Wesen, denen es Spaß macht, Menschen zu quälen, und die blöderweise oft mächtiger sind als die Schutzgottheiten. Damit erhalten sie einen ähnlichen Status wie Naturgewalten - die kann man auch nur selten besiegen, und kein Mensch ist dran schuld oder dafür verantwortlich, v.a. nicht die Opfer. So, wie es halt auch böse Menschen und böse Taten von Menschen gibt, denen man nicht immer Herr wird, so gibts in meinem rel. Weltbild auch Dämonen, die ähnlich funktionieren.)


Wegen der Hölle: als Hölle bezeichne ich jeden jenseitigen Bestrafungsort. Wenn der - wie in dem jüdischen Artikel - nur ein Jahr dauert und ähnlich wie ein weltliches Gericht funktioniert, kann ich mich mit dieser Sichtweise durchaus anfreunden. Die Idee, dass nichtgesühnte Untaten nach dem Ableben von Gerechtigkeitsgottheiten geahndet werden, finde ich gar nicht so schlecht - vor allem ist es ein Trost für Gewaltopfer, wo die Täter blöderweise sterben, bevor sie Genugtuung erfahren haben. Crysalgiras Ansicht, dass man sich selbst gegenübersteht, fällt da auch rein. Warum auch nicht? Ich habe auch nichts gegen den Begriff Bestrafung, wenn es meinem Rechtsempfinden entspricht.

Maßlose perverse Übertreibungen an Bestrafungsszenarien, wie sie in diversen Höllenvorstellungen (Ägypten, Hinduismus, Buddhismus, Islam, Christentum, Tartaros ....) vorkommen, verneine ich aber. Da ist wohl die sadistische Phantasie mit den Gründern solcher Ideen durchgegangen. ;)

Nur - wenn man eh schon in der Anderswelt (Purgatorium, Hölle, ...) gebüßt hat für nicht Aufgearbeitetes - warum dann noch Karma im nächsten Leben? Das widerspricht meinem Rechtsempfinden. Jemand, der eine Strafe abgesessen hat, hat ein Recht auf Neuanfang, für mein Verständnis auch im spirituellen Bereich. Dass es den einen gut und den anderen Menschen schlecht geht, schiebe ich daher auf Zufall, freies Spiel der Kräfte (Götter gg. Dämonen) oder ähnliches. NIE, wirklich NIE würde mir in den Sinn kommen, ein Menschenschicksal mit etwaigen Vorleben zu verknüpfen, zumindest dann nicht, wenn sich daraus moralische Aussagen ergeben. (Gegen so nette Spielereien, dass man sich z.B. mit kelt. Gottheiten verbunden fühlt, weil man glaubt, im früheren Leben mal eine Keltin gewesen zu sein, hab ich ja nix - solange es nicht zum Wahn wird...)

Soweit meine Gedanken

Liebe Grüße

Mc Claudia
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barbara

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Re: Was mir am Judentum sympathisch ist
« Antwort #9 am: April 27, 2012, 21:59:22 »
Zitat von: "Mc Claudia"
Wie gesagt, ich warte sehnsüchtig auf eine Karmaerklärung, die Menschen mit so schweren Schicksalen nicht vor den Kopf stößt.

ich glaube an den freien Willen auf Seelenebene. Sprich, ein Mensch, der mit Gewalt, Behinderung, Armut, Krankheit oder sonst schwierigen Umständen konfrontiert ist, hat sich ausdrücklich auf Seelenebene für diese Erfahrung bereit erklärt, aus Gründen, die der Seele vor der Inkarnation gut genug waren. Dito hat jemand, der mit dem goldenen Löffel im Mund geboren wird, sich für diese Erfahrung bereit erklärt (die ja nicht unbedingt angenehmer sein muss, weil die People-Magazine uns das so darstellen)

Mit Schuld, Strafe und vergangenen Leben hat das alles nichts zu tun.


Zitat
Davon wird es zwar auch nicht gesund,

Es geht wohl nicht immer darum, gesund zu werden. Wenn jemandem zB ein Glied fehlt, oder wie die Contergan-Kinder die Extremitäten verkrüppelt sind, so geht es darum, damit zu leben. und das Beste daraus zu machen.


Zitat
Nur - wenn man eh schon in der Anderswelt (Purgatorium, Hölle, ...) gebüßt hat für nicht Aufgearbeitetes - warum dann noch Karma im nächsten Leben?

mag sein, dass du dir selbst beweisen willst, dass du die Lektion gelernt hast und sie unter den schwierigen Bedingungen des Erdenlebens auch umsetzen kannst. In den geistigen Welten, wo kein Körper mit Hunger, Durst, Schmerz, Müdigkeit und andern Sperenzchen dich plagt, ist es immer einfach, hohe moralische Vorstellungen zu haben.



Zitat
Jemand, der eine Strafe abgesessen hat, hat ein Recht auf Neuanfang, für mein Verständnis auch im spirituellen Bereich.

Es IST ein Neuanfang. Alles Bisherige, was du mit diesem oder jenem Menschen erlebt ist, ist vom bewussten Bewusstsein gestrichen und es kann von Anfang an eine ganz neue Beziehung aufgebaut werden. Stell dir vor, du wüsstest, dass du im vorletzten Leben deinen Vater ermordet hättest und deine beste Freundin finanziell ruiniert hättest und von deinem Chef wärst du geschlagen worden... du könntest wohl mit niemandem von ihnen auch nur eine halbwegs normale Beziehung aufbauen. Nicht-Wissen ist manchmal ein Segen, denn es  gibt eine neue Chance.

grüsse, barbara
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Mc Claudia

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Re: Was mir am Judentum sympathisch ist
« Antwort #10 am: Mai 01, 2012, 18:40:38 »
Ich weiß nicht, ich glaub, ich bin irgendwie anders gestrickt. Ich kann mit diesem Gedankengebäude einfach nix anfangen. Sorry.  :weißnicht:
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barbara

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Re: Was mir am Judentum sympathisch ist
« Antwort #11 am: Mai 01, 2012, 20:41:46 »
wo hakt's denn?

mit der Idee, dass Menschen sihc freiwillig in schwierige Situationen begeben? Mit der Idee, dass wir im Grund tatsächlich frei sind? sonst was?

nun, es muss schliesslich nicht jeder damit was anfangen können...

grüsse, barbara
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Mc Claudia

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Re: Was mir am Judentum sympathisch ist
« Antwort #12 am: Mai 03, 2012, 17:15:06 »
Nein, mit der Idee, dass sich eine Seele im vorgeburtlichen Stadium angeblich was aussucht, von dem das Bewusstsein im nachgeburtlichen und bewusster werdenden Homo-Sapiens-Stadium zum einen nix weiß, zum anderen vielleicht gar nicht damit einverstanden ist und zum letzten das alles auch noch irgendwie was mit kosmischer Gerechtigkeit zu tun haben soll, von der aber offenbar nur das Universum selbst was weiß. (Nein, ich glaube nicht an eine Gerechtigkeit, die ich als Mensch nicht im Geringsten imstande bin zu fassen.)

Ich weiß ja nicht, aber ich versuche, meine ethischen Ideen immer an den Opfern auszurichten. Soll heißen, wenn ich einem Opfer der Evolution, einer Naturkatastrophe, einer unheilbaren schlimmen Krankheit, des sozialen Unrechts oder einer Gewalttat ins Gesicht sehen kann und ihm meine Idee darlege, ohne von dem Opfer eins in die Fresse zu kriegen, dann lieg ich irgendwie richtig.  :gruebel:

Die Idee mit der Seele, die sich was aussucht, oder dem Selbst, das etwas abarbeitet aus dem früheren Leben würd ich mir jedenfalls nicht trauen einem Opfer ins Gesicht zu sagen, jedenfalls nicht, wenn ich daran interessiert bin, dass das meinige (Gesicht) nach dieser meiner Aussage noch heil ist. Wäre ich nämlich so ein Opfer und würde mir ein Mensch, dem es offensichtlich besser geht als mir, sowas ins Gesicht sagen, dann würde ich sicherlich zu Gewalt neigen, weil ich es als blanken Zynismus und Verarsche meines Leids empfände.  :weird:  :mad:
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Giles

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Re: Was mir am Judentum sympathisch ist
« Antwort #13 am: Mai 03, 2012, 19:51:47 »
läuft so ein bissl auf ein videospiel für mich hinaus: Du beginnst als molch oder neandertaler, arbeitest Dich zum menschen hin (oder auch zum delphin, zum affen, zum hund?) und nachher kann man sich aussuchen, was man das nächste mal probieren mag. So steigert das partikelchen dauernd sein repertpoire, das gesamtsystem der partikelchen ("das All-Eine) detto. Ich kann mir gut vorstellen, dass ich mir das nächste mal was anderes als menschen aussuche  ;)  kommt halt drauf an, was die alternativen sind  :gruebel:

zum vergessen der anderen während des verweilens in einer inkarnation: man glaubt ja gern, täglich mehr zu wissen. das bedeutet aber zumeist (nicht immer!) ein immer weiteres verengen auf bekanntes, maW altersstarrsinn und verbohrtheit. insofern ist das vergessen eine gnade, die uns erst lebensfähig macht, auch gegenüber anderen. ein säugling, der uU seine umgebung deutlich artikuliert überragt, wird es nicht leicht haben - oder?
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homo homini lupus

barbara

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Re: Was mir am Judentum sympathisch ist
« Antwort #14 am: Mai 03, 2012, 22:10:37 »
Zitat von: "Mc Claudia"
Nein, mit der Idee, dass sich eine Seele im vorgeburtlichen Stadium angeblich was aussucht, von dem das Bewusstsein im nachgeburtlichen und bewusster werdenden Homo-Sapiens-Stadium zum einen nix weiß, zum anderen vielleicht gar nicht damit einverstanden ist und zum letzten das alles auch noch irgendwie was mit kosmischer Gerechtigkeit zu tun haben soll, von der aber offenbar nur das Universum selbst was weiß. (Nein, ich glaube nicht an eine Gerechtigkeit, die ich als Mensch nicht im Geringsten imstande bin zu fassen.)

Es ist ja zu fassen, das ist ja der Witz daran. und das beschränkt auf dein eigenes Leben. Was andere Menschen so fabrizieren, das lässt durchaus immer wieder mal fassungslos...  :eek:  :weißnicht:

Zitat
Ich weiß ja nicht, aber ich versuche, meine ethischen Ideen immer an den Opfern auszurichten. Soll heißen, wenn ich einem Opfer der Evolution, einer Naturkatastrophe, einer unheilbaren schlimmen Krankheit, des sozialen Unrechts oder einer Gewalttat ins Gesicht sehen kann und ihm meine Idee darlege, ohne von dem Opfer eins in die Fresse zu kriegen, dann lieg ich irgendwie richtig.  :gruebel:

Opfer brauchen Mitgefühl und Sensibilität. Es ist nicht sinnvoll, einer Person, die akut in einer Krise steckt, irgendwas in die Richtung von "du selbst hast dich damit einverstanden erklärt" zu erzählen, nicht mal wenn es stimmt.

Opfer haben aber nicht immer recht mit ihrer Interpretation der Situation. Ich würde sogar soweit gehen zu sagen, dass das Verharren im Opfermodus einer der häufigsten menschlichen Irrtümer ist.


Zitat
Wäre ich nämlich so ein Opfer und würde mir ein Mensch, dem es offensichtlich besser geht als mir, sowas ins Gesicht sagen, dann würde ich sicherlich zu Gewalt neigen, weil ich es als blanken Zynismus und Verarsche meines Leids empfände.  :weird:  :mad:

Einem Menschen, dem es "offensichtlich" besser geht, geht es "nicht offensichtlich" womöglich genauso beschissen oder noch schlimmer. Nicht alle Leute zeigen ihre Sorgen und Ängste nach aussen.  Was du als Verarsche und Zynismus empfindest, kann genauso gut ein Rapportieren eigener Erfahrungen und deren Quintessenz sein. Dinge sind nicht immer so, wie sie scheinen. und die oberflächliste Deutung ist meist nicht die beste.

grüsse, barbara
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