Slania,
Ich habe diesen Artikel über das Nemeton in Corent-Auvergne jetzt gelesen:
http://www.luern.fr/articles/matthieux_poux_allemand.pdfEdel, ein Wahnsinn! Was man durch die ganzen Funde herausgefunden hat, bietet fürs keltische Neuheidentum durchaus interessante Ritualvorschläge.
Das Bild des rekonstruierten Nemetons im Artikel zeigt wunderbar, wie es vielleicht einmal ausgesehen hat. Und man erkennt, dass ein La Tène-zeitliches Nemeton dieser Art gar nicht sooo anders ausschaut wie ein römisches Provinzheiligtum mit ein paar gallorömischen Tempeln darin. Beides ist viereckig mit Palisadenzaun oder Mauer umgeben, und darin befinden sich verschiedene Arten von kleinen Bauten, Häuschen, Pfählen etc.
Weil ich dieses Nemeton so cool finde habe ich auch eine 3-D-Tripp-Rekonstruktion gefunden, die sich wirklich anbietet zum Angucken. Ist zwar auf Französisch, aber wenn man den Artikel gelesen hat, kennt man sich aus:
http://com.cg63.fr/com/Corent/Hier die Dinge, die ich besonders interessant fand beim Lesen:
Der Eingang im Osten mit Münzen, Eintrittskarten und Totemtierschädeln:Wie bei den meisten Nemeta und gallorömischen Heiligtümern ist der Eingang des Nemetons im Osten (was auch den von Raimund Karl untersuchten Wohnhäusern in Irland und Wales entspricht – dürfte also gesamtkeltisch äußerst oft üblich gewesen sein). Und beim Eingang befinden sich urviele Münzen, sogar welche aus Bronze (was ich interessant finde, da die meisten kelt. Münzen aus Silber, und einige aus Gold sind). Sehr viele Münzen gehören zum Stamm des Oppidums, und diese zeigen auf einer Seite einen Wolf bzw. Fuchs. Es dürfte sich hierbei um die Totemtiere des Stammes handeln, denn am Eingangstor fand man einige Schädel bestimmter Wildtiere, und zwar: Wolf, Fuchs, Hund, Uhu, Hase und Wildkatze. Neben Wolf und Fuchs, die auf den einheimischen Münzen waren, dürften die anderen Tierschädel möglicherweise die Totems der anderen Stämme darstellen, die auch das Nemeton nutzten. Genau diese Wildtier-Schädel fehlen jedenfalls in anderen Nemeta, weshalb sie als Stammestiere interpretiert werden können.
Neben den echten Münzen lagen auch sehr viele Spielmünzen aus Keramik (archäologischer Begriff dafür: Rundel). Diese Rundel können verschiedene Bedeutungen gehabt haben: Opfergaben ärmerer Leute, die keine Münzen hatten, Eintrittskarten für die Zeremonie im Nemeton, Nemeton-Geld, das durch Münzwechsel erhalten wurde, Nemeton-eigene Opfermünzen, oder aber auch Wahlzettel für den zukunftsträchtigen Stammesführer.
Der Eingang ist auch groß genug, dass man von außen hineinschauen kann. Die zwei wichtigen Opferplätze sind von außen zu sehen, sodass man offenbar auch von außen zugucken konnte. Großes Geheimnis war dieses Nemeton also offenbar nicht, sondern sichtbar für alle Leute. (Zumal es ja im Oppidum selbst stand und nicht irgendwo im Wald.)
Portikus mit Speiseabteilungen:Die viereckige Palisadenaußengrenze hatte innen einen hölzernen Portikus. Die Holzsäulen symbolisierten die Grenze zwischen den einzelnen Speiseabteilungen. So ähnlich also wie Logen im Theater. Dort fand man verschiedenste Speisereste, die den Portikus als Speiselogen beweisen. Dort konnten also in den Logen Familien und Freunde sitzen und genüsslich essen und nebenbei der Zeremonie folgen, auf die sie ja einen guten Blick hatten.
Ähnliches war auch in Griechenland bei den Opferzeremonien üblich – also dass die Familien und Gruppen sich bei einem großen Ritual beim Tempel zusammensetzten und von dort teilweise der Zeremonie folgen konnten bzw. ihre Festspeisen zu sich nahmen. Die römische Steinmauer, die dann drübergebaut wurde, hatte ihre Innensäulen des Portikus genau an jenen Stellen wie die Holzsäulen zuvor.
Die Reste der Tieropfer:Was ich noch genial fand: genauso wie es auch bei Römern, Griechen und anderen Tieropfer-Religionen üblich ist, fand man als Opfergabe vor allem Kiefer, Schädel, Füße – also Knochen von Körperteilen, die eher ungenießbar waren. Diese wurden geopfert. Die Knochen des genießbaren Fleisches wurden vor allem im Portikus gefunden, dort wo die Leute saßen und aßen. Auch das dort gegessene Fleisch stammte von vielen anderen Tieren (auch Schweine), während die Opfergaben nur von bestimmten Tieren stammten (Schafe, Ziegen, Rinder).
Interessant finde ich auch, dass die Knochengirlanden (Ziegenunterkiefer, die an den Pfählen des Tempel-Mittelteils hingen) mit Ähnlichem in Afrika und SO-Asien verglichen werden konnten. Traditionen finden also immer wieder mal ähnliche Ideen in weit entfernten Zeiten und Gebieten
Die zwei Opferplätze für Wein und Blut:In der Nähe des Eingangs befinden sich die zwei vierkantigen Opferplätze oder –hütten. Die im Norden ist für Tieropfer und im Süden für die Rotweinlibationen. Beide haben eine Opfergrube, wo das Blut der Opfertiere bzw. der Rotwein hineingeschüttet wurden.
Was ich am nördlichen Opferplatz urgeil finde, ist, dass ein Basaltsteinblock darin gefunden wurde, der aufgrund der vielen Ritzlinien für die Tieropfer verwendet wurde. Opferaltäre aus Stein (vielleicht manchmal auch aus Holz?) sind also möglicherweise durchaus in keltischen Heiligtümern üblich gewesen.
Am interessantesten finde ich aber den südlichen Opferplatz für den Wein. Es wurde hier nicht nur Wein vergossen, sondern die römischen Amphoren um die Opfergrube gelehnt und mit einem Schwert (oder einer Axt) geköpft. Danach wurde die Libation in die Grube durchgeführt, und die meisten Amphoren dann zerschlagen und die Scherben als Bodenfliesen fürs Nemeton verwendet. Einige Amphoren blieben um die Grube stehen – wahrscheinlich als Symbol für das Weinopfer.
Die Enthauptung der Amphore erinnert mich an die Öffnung eines Champagners mit Säbel:
https://de.wikipedia.org/wiki/Champagners%C3%A4belNapoleon hatte also offenbar dieselbe Idee wie seine eisenzeitlichen Vorgänger!
Es stellt sich bei dieser Weinopferung natürlich sofort die Frage, ob es einfach nur eine Libation eines teuren Getränks war, das man sich aus Rom liefern ließ, oder ob man damit eine Alternative zum Blutopfer (vielleicht sogar zum Menschenopfer?) empfand. Ich denke durchaus an Zweiteres. Und ich denke daran, das heutzutage mal auszuprobieren. Man bräuchte bloß eine Keramikflasche, da Glassplitter am Kultplatz nicht so toll sind
Das Letzte, was ich auch nett fand, waren die Funde von orientalischen Glasschalen. Der Handel war schon damals ziemlich weiträumig. Und die Seidenstraße brachte offenbar auch immer wieder was für die Kelten
Und jetzt will ich, dass wir Feuerkreisler/innen im Lotto gewinnen und in Wien so ein keltisches Nemeton bauen und solche geilen Zeremonien abhalten!
subuta
Mc Claudia